Der Geist des alten Königs (Friedrichs des Großen)

Auf dem Berge ohne Sorgen
Sitzt der große König krank,
Hat mit Müh' den Kopf erhoben,
Sieht zur Sonne hell und klar.
Hat die Sonne fast geblendet,
Hat zwei Sonnen im Gesicht,
Und ganz ruhig er da denket:
»Sonne, bin bald näher dir!«
Will sein Testament nun machen,
Findet, daß er gar nichts hab,
Alles seinen Unterthanen
Er mit milden Händen gab.
Nur den heil'gen, alten Körper,
Daß kein Mißbrauch ihn entehr',
Daß man ihn nicht möchte stören,
Möcht' er fernen vom Verkehr.
[38]
Die mit Liebe an ihm hingen
Alle Noth mit ihm getheilt,
Seine Hündlein vor ihm springen,
Mancher ist voraus geeilt.
In der Näh' sind sie begraben,
Und er schreibt mit eigner Hand:
»Unter ihnen sei begraben
Auch mein Leichnam ohne Pracht.«
»Denn die meine Ältern scheinen,
Machten mir den ersten Schmerz,
Die mich zu beerben meinen,
Erben nicht mein großes Herz.«
Demuthvoll blieb unerfüllet
Dieses Willens trüber Ernst,
Ahndung damals schon enthüllte,
Was die Klugheit nicht entfernt.
Nein, zum großen Erbbegräbniß
Trägt der Erb' ihn selbst mit Pracht,
Und es zeiget dies Begegniß,
Daß er schon ganz anders dacht'.
Aus dem Marmorgrab der Kirche,
Wo ihn keine Neigung band,
Kam er oft zurück geirret,
Zu den Thieren, ihm bekannt.
Schüttelt dann mit seinem Kopfe,
Drohet mit dem Krückenstock,
Wenn's nicht alte Weiber logen,
Denn die glauben an ihn noch.
[39]
Einmal wollt' er ruhig schlafen
In dem engen Kämmerleim,
Kommen Leute an mit Fackeln,
Und sie stellen sich da fein.
Kommt ein König und ein Kaiser,
Eine schöne Königin,
Sprechen zu einander leiser,
Reichen sich die Hände hin.
Bald ist Krieg im ganzen Lande,
Keiner weiß noch recht warum,
Als die Truppen schon voll Schande
Laufen um die Erd' herum
Als vom Sarge dieses Helden
Nimmt ein fremder Held das Schwert.
Späte Zeiten werden melden,
Was das heil'ge Schwert einst werth.
Unruhvoll muß er nun wandern
Mit dem eilend flücht'gen Heer,
Weil er Stiefeln mußte tragen,
Wurde ihm das Laufen schwer.
Und von einem zu dem andern
Gab er seinen besten Rath,
Aber immer muß er wandern,
Weil noch keiner danach that.
Gar kein Feldherr wollt' ihn kennen,
Dieser warf ihn aus dem Haus,
Dieser wollte mehr noch können,
Meint, man käm' damit nicht aus.
[40]
Endlich kam er zu dem Dichter,
Doch, weil er französisch sprach;
Rief er auch den kritschen Richter
Aus dem schönen Himmel wach.
Doch der sprach von Lesearten,
Und ich konnt' ihn nicht verstehn,
Auf die Metrik sollt' ich halten,
Und der Geist mußt' weiter gehn.
Doch der Kritiker wollt' bleiben,
Und ich mußte schreiben nun,
Ach, womit ich nicht kann treiben
Aus dem Backofen einen Hund!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Der Geist des alten Königs. Der Geist des alten Königs. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-12B2-8