[188] Mystik des Lebens

Als ich ein sinniger Knecht des Herrn die Welt mir erschauet,
Lag mir in mystischem Duft, tief am Altare das Herz;
Doch ich sah sich entzünden zwei Kerzen, doch erst nur die eine,
Streifig sie leuchtete durch, in Jerusalems Nacht.
Und ich sahe die Stäubchen durchzückt von Freude im Hirne,
Und ich beschrieb es so gern, wie mir der Staub noch so lieb.
Doch da haben die Ritter der Wallfahrt gar höhnend gelachet,
Und ihr Lachen verdarb's, wirbelnd den ewigen Staub.
Traurig dacht' ich zu sinken nun wieder in's mystische Dunkel,
Denn die Flamme, sie war ohne den Staub mir nicht lieb;
Aber da zündet sich helle die Flamme der anderen Seite,
Blumen, die sah ich verwelkt, Knochen vom Opfer des Thiers,
Und die Ritter, sie schwanden wie leere Gestalten des Zwielichts
Und das heilige Grab war von Pilgern so leer.
Doch da rief mir's von oben, das Oben das war nun erleuchtet,
Jene, beschreib ich sie wem, der sie nicht selber gesehn.
»Lasse dem Staub, was des Staubes, und nehme was Eins und verbunden,
Drücke an's höhere Herz Blumen und Thiere mit Lust;
Staub ist opfernder Duft, du darfst nicht jenen entziehen,
Was da heilet und hilft, frisch ist dein sinniger Sinn.
Trete mit rüstigem Fuß, ich zog dich aus Wüsten zur Nähe,
Ziehe zu Wüsten nun hin, denn du weißt was mir lieb.
Suche mir Blumen die frisch, auf mehre sie glaubend an Dauer,
Führe die Heerden dazu, trete im Staube danach.
Abends siehst du im Staub, scharf scharrend, den lieblichen Funken,
An den Nägeln des Schuh's, wie ein versunkener Stern,
Wenn du auch diesen gesehn, so schlag ihn in's offene Auge,
So nur fährt er in dich, daß du ihn bringest mit dir,
Treibe die Heerden zusammen, und schneide die Blumen, du kennst sie,
Lasse die Wurzel zurück, von den Thieren ein Paar.
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Alle die andern treibe zu mir, mit sicheren Schritten
Putze die Lichter heraus, zünde sie wieder am Aug'.
Wie sie dann heller und heller und heller und heller sich zünden,
Hell dann wirst du mich sehn, freudig der Blumen, des Thiers.
Dann erst singe von mir, daß erschöpfet dein Athem versinke,
Denn die Schöpfung beginnt, wo der Schöpfer verschwind't.«
Und sie verschwand wie Schatten bei sinkender Sonne, unendlich,
Alles ward Schattenbild mir, alles geheiligt, nichts Sie,
Und ich that wie sie wollt und ging in die Wüste voll Demuth,
Blumen und Heerden ich zog, fand auch den Funken der Nacht,
Schlug mir in's offene Aug', daß einwärts der Funken gezogen;
Blumen zur Wurzel ich schnitt, Heerden zusammen ich trieb.
Aber nun hatt' ich vergessen die Wege zum Altar der Wallfahrt,
Dunkel ach war mir die Welt, Bergstromgetöse nur blieb,
Ließ ich den Funken heraus, die dunkeln Wege zu hellen,
Zünde ich immer ihr Licht, sehe nun immer sie selbst,
Doch auch wenn ich entbehre zu sehen die Blume der Blumen,
Die in Farb' und Gefühl gleich verkündet ihr Sein,
Wie sie vom Munde des Thiers ausathmet die ersten der Worte,
Denn so athmet nur sie, daß ihr Athem wird Geist,
Dennoch ich schlage den Funken heraus, die Wege zu hellen,
Daß sie das Opfer empfah, was ich für sie nur erzog.
Hat mir der Funken gezeigt die Wege bis hin zum Altare,
Schwand doch früher sein Blick, ehe dahinter es hell.
Zeit, ach, brauchet das Licht im widerspenstigen Dunkel,
Und der Funken der Nacht hat den Augenblick nur:
So ich liege im Dunkel und höre nur säuseln die Blumen,
Athmen nur hör' ich das Thier, sahe ich Kind schon die Welt?
Noch im Dunkel der Mutter ich schwimme, ihr Athem ward Geist mir,
Und die Blumen im Duft singen ihr Leben und meins.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Lieder aus einem ungeschriebenen Romane. Mystik des Lebens. Mystik des Lebens. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-12BD-1