11. Letzter Trost
Du gold'ne Zeit, du Traumbild der Poeten!
Wann leuchten wieder deine Morgenröthen?
Jetzt ist des Menschen Eigenstes geknechtet;
Wer selbst sich lebt, verspottet und geächtet.
Ob allem Hohen, Ed'len, höhnend prangt
Die Heuchelei, gleich einer frechen Dirne,
Die keck nach Scharlach und nach Purpur langt,
Demüth'ge Schaam auf Schläfenpaar und Stirne.
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O jetzt zu leben, jetzt!
Wo dem edel'n Gemüth
Nur ein Heil noch erblüht:
An des eig'nen Gedankens Geschoß,
An der eigenen Seele Gluten,
Wie das ed'le arabische Roß
An geöffneten Adern, verbluten.
Natur, so heilig in dem stillen Walten!
Natur, so keusch im offensten Entfalten!
Frei schmückst du dich mit deinen Abendröthen,
Des neuen Tages flammenden Propheten.
Nach eigenem Gesetze still und groß,
Selbstherrschend wandelst du die Bahn des Lebens.
Nach strebt dir meine Seele fessellos;
Nach deinem Lebensquell schmacht' ich vergebens.
[37]
O jetzt zu leben, jetzt!
Wo dem edel'n Gemüth
Nur ein Heil noch erblüht:
An des eig'nen Gedankens Geschoß,
An der eigenen Seele Gluten,
Wie das ed'le arabische Roß
An geöffneten Adern, verbluten.
Du träumerischer Dänenprinz, erkranken
Muß ich, gleich Dir, an bleichen Nachtgedanken!
Ein Kerker ist die Welt; ich bin gefangen!
Gefesselt ist mein glühendes Verlangen!
In Fesseln seufzt, wie ich, mein ganz' Geschlecht!
Der Wahn der Menge ist der Kerkermeister,
Der blinden Satzung treuergebner Knecht,
Der nie versöhnte Feind der freien Geister!
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[39]O jetzt zu leben, jetzt!
Wo dem edel'n Gemüth
Nur ein Heil noch erblüht:
An des eig'nen Gedankens Geschoß,
An der eigenen Seele Gluten,
Wie das ed'le arabische Roß
An geöffneten Adern, verbluten!