[123] 48. Der Bärenhäuter.

Nach der unglücklichen Schlacht bei Barna in Ungarn, worin das christliche Heer von den Türken fast gänzlich vernichtet worden, entkam unter den Wenigen auch ein deutscher Landsknecht durch die Flucht in einen dichten Wald. Daselbst fand er aber weder zu brechen noch zu beißen; nirgends zeigte sich ein Obdach, und er irrte, von wenigen Lumpen bedeckt, ein Paar Tage in der Wildniß umher, bis er endlich ganz ermattet niedersank und nicht mehr weiter konnte. Diese Noth, und der Gedanke, so fern vom Vaterland verderben zu müssen, trieb ihn zur Verzweiflung; nach böser Landsknechte Art verwünschte er in gräulichen Flüchen, daß er ein Mensch geboren sei, und sagte zuletzt: wenn mir da der Teufel nicht hilft, so wüßte ich nicht, wer mir noch helfen sollte.

Und siehe da! der Teufel erschien ihm alsogleich, in menschlicher Gestalt als Jägersmann, und erbot sich gegen ihn, daß er ihn nicht allein in Sicherheit bringen, sondern ihm auch so viel Geld und Gut verschaffen wollte, als er begehren möchte, wenn er seine Seele verpfändete. Dies Anerbieten däuchte aber dem Landsknecht doch so grauerlich, daß er Bedenken trug, in das Begehren einzuwilligen. Darauf that ihm der Teufel den Vorschlag, er solle mindestens auf sieben Jahre sich zu seinen Diensten verschreiben, wobei er nichts zu thun hätte: erstlich nichts zu kämmen, zu waschen und zu reinigen an seinem Leibe, zweitens nichts zu arbeiten, drittens nichts zu beten und keine Kirche zu besuchen. Nur von seinem Schlosse hätte er täglich eine Stunde Wache zu halten, sei es auch schlafend. Dafür solle er Essen und Trinken in Fülle bekommen, und Geld und Gut oben drein. Aber die Kleidung müßte er sich alsogleich selbst verschaffen, eine Bärenhaut, die Liverei des Herrn. Das Alles war dem Landsknecht gar sehr recht; und da so eben eine Bärin vorbei zu ihrem Lager ging, [124] wo sie ihre Jungen hatten, so erschoß sie der Landsknecht, und zog ihr den Pelz ab, womit er sich bekleidete. Alsdann ergriff ihn den Geist, und entführte ihn auf sein Schloß, das mitten im Meer auf einer wüsten Insel lag, wo er alsbald seinen Dienst antrat.

Nachdem Bärenhäuter über sechs Jahre, bis auf sieben Monate, seinen Wachdienst versehen hatte – Haar und Bart waren ihm indessen dermaßen verwachsen und verfilzt, daß er von Gottes Ebenbildlichkeit wenig mehr übrig hatte – so trat der Teufel zu ihm, und sagte, er bedürfe seiner Dienste nicht mehr, und er wolle ihn nun wieder unter Menschen bringen, jedoch unter der Bedingung, daß er sich noch die übrige Zeit in dieser seiner Verwilderung unter ihnen sehen lasse; zugleich wolle er aber den verdienten Geldschatz ihm überantworten, einen Säckel mit Heckpfennigen, die sich auf immerdar vermehrten: damit möchte er sich eine Weile lustig machen, so gut er könnte. Zu seiner Zeit wolle er wieder zu ihm kommen, und für sein ferneres Unterkommen Sorge tragen. Dem Landsknecht war es gar lieb, daß er wieder unter Menschen käme; er ließ sich daher recht vergnügt vom Teufel übers Meer nach Oesterreich führen, wo er zu Hause war, und wo sein Bildniß noch heutiges Tages gezeigt wird. Dort setzte ihn der Geist vor einem Wirthshause ab, das an der Straße lag, wo täglich und stündlich viele Menschen vorbei gingen und einsprachen.

Anfangs erschraken die Leute, die seiner ansichtig wurden, und wiesen ihm den Schweinstall zur Wohnung an. Um des Geldes aber, das er ihnen zuwarf, gaben sie ihm Speise und Trank, so viel und so gut er wollte; und bald gewöhnten sie sich an den Unflath dermaßen, daß er wie ein Hausgenosse gehalten wurde in seinem Koben.

Wo aber zog sein Geld, das nie minder wurde in dem Säckel, von Tag zu Tag immer mehr Leute an, zumal Landstürzer, Robler und Doppler und anderes Gesindel, [125] das im Wirthshause zusprach. Denn er hatte sich Würde beigelegt; und der, welcher unsichtbar im Spiel war, wendete es schon so, daß der Bärenhäuter meistens verlor was diesem keinen Verdruß machte, da er des Säckels gewiß war. Also gab's des Zulaufs in Menge, und es geschahen alle Missethaten und Laster, die bei Spiel und Gelagen vorkommen, als: Trunkenheit, Lug und Trug, Raub und Mord, so daß dieses Wirthshaus eine wahre Kapelle des Teufels war, und ihr Priester der Bärenhäuter.

Also verflossen wieder sechs Monate und sieben Tage. Da kam, versprochener Maßen, der Geist wieder zu ihm in der bekannten Jägertracht, und versprach ihm nun Rath und That für dessen Zukunft. Es werde, sagte der Geist, dieser Tage ein Edelherr ins Wirthshaus kommen, und sich mit ihm ins Spiel einlassen. Dem solle Bärenhäuter all sein Geld abgewinnen, zuletzt aber ihm nicht nur das Verlorene wieder anbieten, sondern noch eine große Summe obendrein, unter der Bedingniß, daß er ihm eine seiner Töchter zur Ehe geben wollte. Wie der Teufel gesagt, so ist es geschehen. Der Edelherr, nachdem er all sein Geld in kurzer Zeit verspielt, verkaufte um die angebotene Summe dem Bärenhäuter die älteste seiner drei Töchter, und führt ihn selbst mit auf sein Schloß, daß er seine Braut empfahen und heimholen könnte. Als aber das Fräulein den Mann sah, ihren Bräutigam, in der Bärenhaut, mit langem Bart, ungekämmten Haaren und schmutziger Gesichtsfarbe, so erschrak sie und gerieth dermaßen in Verzweiflung, daß sie sich ins Wasser stürzte. Die jüngste aber, ein leichtfertiges Ding, da die andere sich weigerte, bot dem überreichen Manne freiwillig ihre Hand dar, die auch Bärenhäuter annahm. Er versprach nach sieben Tagen wieder zu kommen, bis wohin die Zubereitungen zur Hochzeit gemacht werden sollten.

Als Bärenhäuter seine Brautwerbung also abgethan, so kam wieder der Teufel, und sagte zu ihm: Nun sei es [126] Zeit, daß er sich in einer andern Kleidung vorstelle, Rosse und Kutsche sammt Dienerschaft sich anschaffe, und überhaupt adelige Sitten und Gebärden annehme. Das that er denn, wie ihm gerathen worden; und als er nun so ausgestattet in die Burg des Edelherrn einzog, da erstaunte Jedermann darüber, daß aus dem wüsten Bärenhäuter ein so schöner und reicher Cavalier geworden. Die Braut, die jüngste Tochter, hatte zumal Freude über diese Verwandlung. Ihre Schwester aber, aus Neid und Mißgunst, grämte sich dermaßen, daß sie sich am Hochzeittage erhängte. So hatte denn Bärenhäuter dem Teufel, seinem Herrn, zu guter Letzt noch zwei Opfer geliefert, und das dritte konnte ihm ohnehin nicht entgehen. Nach Jahr und Tag, die sie im leichtfertigen Leben mit ihrem Manne zugebracht, war auch die jüngste eine Leiche. Den Bärenhäuter hat aber zuletzt der Teufel selbst geholt.

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TextGrid Repository (2011). Aurbacher, Ludwig. Märchen und Sagen. Ein Volksbüchlein. Zweiter Theil. 2. Allerlei erbauliche und ergötzliche Historien. 48. Der Bärenhäuter. 48. Der Bärenhäuter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-156D-E