119. Räuberischer Einsiedler.
Bei dem Leutkirchlein, das eine halbe Stunde von Oberschopfheim einsam im Felde liegt, wohnte ehemals ein Einsiedler, der im Rufe großer Frömmigkeit stand. Wenn die Leute häufig in später Nacht seine Zelle erleuchtet sahen, so glaubten sie, er liege noch dem Gebet und der Betrachtung ob. An einem Winterabend kam in einer Spinnstube zu Oberschopfheim die Sprache darauf, wer wohl den Muth habe, jetzt zu dem Klausner zu gehen und etwas von ihm mitzubringen. Ein Mädchen, das in der Einsiedelei bekannt war, unternahm es und kam in der sternhellen Nacht bald zu dem Kirchlein. Sie ging in die Zelle, fand darin ein brennendes Licht, aber nicht den Einsiedler, obgleich es schon elf Uhr war. Nachdem sie ihn in der ganzen Klause vergebens gesucht hatte, schaute sie nach ihm zur Hausthüre hinaus und sah ihn, mit einem Todten auf der Achsel, herbeikommen. Schnell versteckte sie sich in einen Winkel des Ganges, von wo sie wahrnahm, daß der Einsiedler in seine Waschküche ging, dort den Leichnam bis aufs Hemd auszog und ihn dann in ein Loch unter einer Bodenplatte versenkte. Während er diese wieder darauflegte, schlich das Mädchen unbemerkt zur Hausthüre hinaus und lief dann über Hals und Kopf in die Spinnstube. [113] Dort fiel sie aus einer Ohnmacht in die andere, daß sie erst nach mehreren Stunden das Geschehene erzählen und es der Obrigkeit anzeigen konnte, die darauf den Klausner festnehmen und seine Wohnung von oben bis unten durchsuchen ließ. In dem Bodenloch, welches das Mädchen noch zu finden wußte, entdeckte man die Ueberbleibsel vieler Ermordeten und in andern Schlupfwinkeln einen großen Werth an geraubtem Gute. Davon erhielt das Mädchen die eine und die Herrschaft die andere Hälfte. Der Einsiedler ward als Raubmörder hingerichtet, und als er nachher in der Klause spukte, von einem frommen Priester beschworen und in einen abgelegenen Waldbezirk gebannt.