242. Junker Marten.
Auf dem Schloßbuckel bei Singen stand vor Zeiten das Schloß Remchingen, welches ganz unter Wasser gesetzt werden konnte. Darin haus'te Junker Marten, ein böser Herr, der einmal seinem Knecht Spreu, statt Dinkelsaamen, zum Aussäen gab. Da nun daraus keine Frucht entstand, ließ der Junker den Knecht einmauern, daß derselbe verhungert wäre, wenn nicht eine Schloßmagd sich seiner erbarmt hätte. Durch ein kleines Loch in der Mauer gab sie ihm täglich zu essen und zu trinken und erhielt ihn so sieben Jahre. Endlich ward es Marten inne, steckte an der Spitze seines Degens oder Spießes einen Weck in das Loch, und als der Knecht darnach schnappte, tödtete er ihn durch einen Stich in den Mund. Wegen dieser Gräuelthat und weil er oft geäußert: daß die Jagd ihm lieber als der Himmel sei, und Gott ihn ewig möge jagen lassen, muß er seit seinem Tode als Jäger umgehen. Bald jagt er mit seinen Hunden, welche Halsbänder mit Rollschellen anhaben, in Feld und Wald, besonders im Junker- und Bahnforste; bald fährt er in einer von Rappen gezogenen Kutsche; bald streicht er mit seinen Rüden durch die Lüfte, wobei sein Hetzruf und das Gebell und Geschell der Hunde weit und breit gehört werden. Einem [232] Fischerknaben, welcher in einer Mondnacht dem Geiste begegnete und ihn irrthümlich als den Förster begrüßte, hat er keine Antwort gegeben, einen Manu aber, der ihn zu beleidigen wagte, in die Pfinz geworfen. Sein Grabstein stand anfangs in der Remchinger Peterskirche, dem Erbbegräbnisse seines Hauses. Darauf war er in seiner großen Gestalt, mit Schwert, Schild und Bogen, auf einem Hunde stehend, ausgehauen, und zu seinen Häupten und Füßen befanden sich noch mehrere Hunde. In der Folge, als die Kirche abgebrochen ward, kam der Grabstein nebst den sechs andern auf den Wilferdinger Gottesacker; aber von da wurden sie nach und nach alle gestohlen und zerschlagen, so, daß nur noch wenige Ueberbleibsel von ihnen vorhanden sind.