205. Spukerei bei der hohen Ruhe.
An der Landstraße von Karlsruhe nach Mühlburg steht auf einer kleinen Erhöhung, am Saume des Hartwalds, eine steinerne Bank, die die hohe Ruhe heißt. Daselbst hausen mancherlei Gespenster, welche früher von einem Karlsruher Juden, Lemle Rotznas benannt, in Säcken dahingetragen wurden.
Eine Bäuerin fand dort nachts eine haushohe Gestalt kopfunter auf den Händen über den Fußweg stehen und war genöthigt, unter dem Arme derselben durchzugehen. Zu andern Leuten gesellte sich, bei dem runden Steintisch, ein schwarzer Pudel, lief eine Strecke mit [188] ihnen und verwandelte sich dann in einen Baumstamm, der bis zur hohen Ruhe sich vor ihnen hinwälzte.
Vor ungefähr dreißig Jahren sah eine Mühlburger Frau, als sie abends Milch nach Karlsruhe bringen wollte, auf der Bank drei Männer sitzen und im Mondschein Karten spielen. Einer derselben rief ihr zu, sie möge ihm aus ihrer Tabakspfeife Feuer geben, was sie auch that und dann weiter ging, über die seltsame Spielgesellschaft sich wundernd. Auf einmal merkte sie, daß sie von dem schnurgeraden Wege, den sie schon unzähligemal bei Tag und Nacht gegangen, abgekommen und tief in den Hartwald gerathen war. Obgleich darin wohlbekannt, wußte sie doch diesmal weder aus noch ein und mußte viele Stunden umherirren, bis sie, nachts um zwei Uhr, am Waldeck heraus auf den großen Uebungsplatz kam, wo sie endlich sich zurechtfand.
Auch andere Leute sind schon bei der hohen Ruhe vom Weg abgekommen, ohne zu wissen, wie; und noch andere haben dort, von unsichtbaren Händen, tüchtige Ohrfeigen bekommen.