80. Brigitte.

Ein Ritter von Hohinrot hatte eine Frau, NamensBrigitte, von der die Burg auch das Brigittenschloß heißt. Sie war eben so fromm, als mildthätig, besuchte und pflegte die Kranken der umliegenden Ortschaften, entband die Wöchnerinnen und schenkte den Armen so viel sie vermochte. Als sie einst denselben einen Korb voll Essen bringen wollte, begegnete ihr ihr Mann, der das viele Verschenken nicht leiden konnte. »Was hast Du in dem Korbe?« fragte er, und erhielt die Antwort: »Rosen.« Da hob er den Deckel auf, und sieh! der Korb war mit den schönsten Rosen angefüllt.

So gut auch Brigitte war, und obgleich sie dem Ritter zwei schöne Knäblein geboren hatte, verstieß er sie [55] doch von sich und ihren Kindern, und nahm eine seiner Mägde zum Kebsweib. Gott ergeben wanderte die arme Frau in das Niederland und diente dort als Magd zwanzig Jahre. Nach deren Ablauf zog sie auf den Breitenbrunner Hof, eine halbe Stunde von Hohinrot, wohin sie jeden Samstag mit den andern Bettelleuten ging, um Almosen zu holen. Dasselbe wurde von ihrem ältesten Sohne ausgetheilt, dem ihr anständiges Benehmen so auffiel, daß er seinem Vater davon Kunde gab. Bei ihrer nächsten Anwesenheit ließ dieser sie herbeirufen; allein er erkannte seine Frau nicht mehr, wohl aber den Trauring an ihrem Finger. »Von wem habt ihr diesen Ring bekommen?« fragte er sie und erhielt zur Antwort: »Den habt ihr mir bei unserer Trauung gegeben.« Da ergriff den Ritter Schmerz und Reue, er bat seine Gattin, wieder seine Hausfrau zu werden, er wolle die Magd und die Kinder, welche er mit derselben erzeugt, aus dem Schloß entfernen und reichlich für deren Zukunft sorgen. Gern erfüllte Brigitte seine Bitte, und setzte dann, von den Ihrigen unterstützt, ihre Wohlthätigkeit und Andacht fort. Die Unwissenden im Glauben zu belehren, war ihr ein Hauptanliegen, namentlich bekehrte sie eine Sippschaft Heiden, die im Land umhergezogen, aber von ihr in die Burg aufgenommen worden waren. Jeden Tag begab sie sich in die Sasbacher Kirche, wohin vom Schloß ein unterirdischer Gang, wie auch über den Schelsberg und Vogelsberg ein Fußpfad führte. Letztern ging einst Brigitte und ließ bei jedem Schritt einen Kronenthaler fallen, damit er in einen Fahrweg umgewandelt werden könne. Die erwähnte Kirche wurde von ihr mit Geschenken überhäuft, wozu besonders die große Glocke gehört, welche ihren Namen trägt. Als sie einmal diesem Gotteshause zuging, [56] fingen dessen Glocken von selbst an zu läuten. Der Meßner eilte auf den Thurm, und bei Erblickung der nahenden Burgfrau rief er: »Die närrische Brigitte kommt!« Da stürzte er zum Fenster hinaus und brach das Genick, und eine Stimme vom Himmel sprach: »Sie ist heilig!« Seit der Zeit hat dieses wunderbare Geläute stets Brigittens Gang von der Banngrenze bis zur Kirche begleitet. Gegen sich ward die fromme Frau immer strenger. Sie kleidete sich ganz gering, in selbst gefertigte Zeuge, und nährte sich zuletzt nur mit der Milch einer Ziege. Endlich starb sie eines seligen Todes, wobei in der ganzen Gegend die Glocken von selbst läuteten, und wurde, von Jung und Alt begleitet und beweint, in dem Sasbacher Gotteshause beigesetzt. Die bekehrten Heiden waren auch bei dem Trauerzug und verließen gleich nachher das Schloß, in dessen Ueberbleibseln ihre Wohnung, das Heidenstüblein, noch gegenwärtig gezeigt wird.

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TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Neugesammelte Volkssagen aus dem Lande Baden. 80. Brigitte. 80. Brigitte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1CC6-6