275. Der Graf zu Liebenstein.

Auf dem Schlosse Liebenstein bei Kaltenwestheim lebte vor Zeiten ein Graf, welcher die Leute dadurch zu Tode marterte, daß er ihnen mit einer Zange die Bärte ausriß. Nachdem er gestorben, konnte das Schloß wegen [259] argen Spuks nicht mehr bewohnt werden, und wer sich hineinwagte, wurde nimmer wiedergesehen. Einst kamen nach Kaltenwestheim Soldaten, und weil nicht alle dort untergebracht werden konnten, wurden zwanzig Mann auf das Schloß gelegt. Die spielten bis tief in die Nacht hinein, auf einmal öffnete sich die Stubenthüre, ein langbärtiger Mann, in einen schwarzen Mantel gehüllt, trat herein und befahl ihnen, sich zurecht zu setzen, daß er ihnen die Bärte scheeren könne. Lange wollte keiner sich dazu verstehen, endlich aber ließ der Beherzteste, und dann auch die übrigen, von dem Mann sich den Bart abnehmen. Während dessen wurden sie so muthig, daß sie miteinander scherzten und lachten, weil sie ohne Bärte so ungewöhnlich aussahen. Als der Mann mit allen fertig war, fragten sie ihn, ob sie ihn nicht erlösen könnten, worauf er erwiederte: »Ich bin der Graf dieses Schlosses und kann nur von dem Mann erlös't werden, der einst in der Wiege gelegen, welche aus den Brettern jenes, jetzt erst fingerhohen Nußbaums gemacht wird!« Nach diesem verschwand er, und es erscholl ein fürchterliches Geheul. Am nächsten Morgen hatten die Soldaten alle ihre Bärte wieder.

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TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 275. Der Graf zu Liebenstein. 275. Der Graf zu Liebenstein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1E02-0