576. Urbanuspredigt

An der Kirche zu Oelsen wird an der Nordseite ein Steingebild erblickt, das stellt einen Schäfer vor, der auf einem Schafe reitet, und wird davon diese Sage erzählt. Auf dem Clidenfelsen oberhalb Oelsen stand in frühen Zeiten ein Braukessel, den die Bewohner des Dorfes fleißig zur Bierbrauerei benutzten. Der Kessel mußte jedesmal auf Borg erbeten und abgeholt werden. Wurde er wieder zurückgebracht, so durfte ein Maß Bier und eine Zeile Semmeln darin nicht fehlen. Ein Schafknecht, von Hunger und Durst getrieben, machte sich einstmals über diese aufgefundene Mahlzeit und zehrte selbige auf. Zur Strafe versanken Schafknecht, Herde und Braukessel in die Erde, und zur Sühne dafür, daß er die Semmeln gegessen und das Bier ausgelöffelt, hat der versinkende Schafknecht ein Vermächtnis gestiftet, so daß alle Jahre an dem Tage, an welchem er den Frevel begangen hatte, war Sankt Urbanus Tag, Gottesdienst gehalten, für seine arme Seele gebetet und dabei allen Menschen, die dazu sich einfinden würden, ein Brötchen aus seiner Verlassenschaft gebacken und verabreicht werden solle. Solches geschieht auch noch. Diese Brötchen besitzen die Kraft, daß sie niemals schimmelig werden; auch wird heilig und teuer versichert, solange man sie aufbewahre, mangele es nicht an Brot im Hause.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 576. Urbanuspredigt. 576. Urbanuspredigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2156-0