XLVIII. Durch Nacht zum Licht.

Und ist kein Arm zu finden, der den Gebeugten hält,
Der tief in Labyrinthen verzweifelnd irrt und fällt?
Führt keine Hand der Lieb' ihn zurück vom Abgrundrand?
Nicht eine Hand im Himmel, auf Erden keine Hand? –
Weh! Rettungslos verloren! Du armer, armer Mann,
Dem auch die letzte Hoffnung wie Wellenschaum zerrann!
Des Geistes Arglist stahl Dir teuflisch den holden Schein;
Blieb Dir nur eine Hoffnung, so warst Du noch nicht sein!
Es wallen Donnerwolken wie Flor der Nacht um Dich,
Und grausam reisst des Abgrunds Gewalt Dich hin zu sich.
Doch Wunder! Welcher Lichtglanz? – Ein Zauberruthenschlag!
Aus Nacht und Donnerwolken aufglüht ein goldner Tag!
Die Schatten fliehn; es kleidet in Helle sich die Nacht;
Die Wolken weinen Perlen und blauer Aether lacht.
Was schwebt, von Irisfarben, von Silberschmelz umwallt,
Huldreich zur Erde nieder, ein Seraph an Gestalt?
[193]
Wer ist die heilge Jungfrau, die Leid und Schmerzen stillt,
Der aus dem Sonnenauge die warme Zähre quillt?
Der eine sanfte Rührung das Engelherz bewegt?
Die tönend in der Rechten die Sternenlyra trügt?
Ihr Blick sucht den Gefallnen, sie reicht ihm ihre Hand;
Ihr mächtger Wink entrückt ihn schnell in ihr Heimathland.
Dort, unter Zauberbäumen schläft Faustus sanft und süss,
Und schaut in schönen Träumen ein neues Paradies.
Und leise greift die Jungfrau in ihre Saiten ein,
Und Wunderklang entströmt ihr melodisch, himmlisch rein.
So rauscht es ird'schen Sängern von Harfensaiten nie,
Das macht, die hehre Göttin ist selbst die Poesie.
Sie rettet den Gesunknen, sie nimmt sich seiner an,
Sie hat in ihren Armen ihm Himmel aufgethan.
Sie hat ihn sanft gebettet; ihn, den die Nacht bezwang,
Hat Poesie gerettet vom ew'gen Untergang.
Und er hat nicht vergebens gerungen und gestrebt,
Ob mannichfach auch irrend, sein stolzer Name – lebt!
Ja Faustus geht bewundert, wie wir ihn wandeln sehn,
Glorreich durch manch Jahrhundert, und wird nicht untergehn.
Ihm ward von hohen Meistern manch kühner Sang geweiht,
Sein Name wird begeistern auch Sänger spätrer Zeit.
Der Dichter Liedesblüthen, ihr unverwelklich Wort,
Sind Wächter die da hüten der Sage heil'gen Hort. –
[194]
Ist nicht manch Dichterleben dem Leben Fausts verwandt?
Ein unerreichtes Streben, ein ewigglühnder Brand?
Ein Stürmen der Gefühle, ein Drang, den Keiner stillt,
Den oft der Schwermuth Schwüle dämonisch überhüllt?
Es poche trotzig Keiner auf seines Geistes Kraft!
Manch Irrender, manch Reiner ward früh dahingerafft.
Wer fragt, wenn Du dahin bist, was Du gefühlt, gewollt?
Wer rettet, wenn Dein Name hinab zum Lethe rollt?
O Leben, ewges Räthsel! Magus, – Dämon zugleich!
Du bleibst für Deine Kinder ein dunkles Geisterreich.
Sie treten in die Kreise, beschwören das Geschick;
Für Himmel oder Hölle weiht oft – der Augenblick. –
O selig wem ein Lichtreich in Poesie erblüht!
Der Sänger trägt Erlösung zum Ufer des Kozyt.
Und in dem Kranz, den Nachruhm um seine Stirne flicht,
Flammt's, eine Schrift aus Sternen, goldhell: Durch Nacht zum Licht!
[195]

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 48. Durch Nacht zum Licht. 48. Durch Nacht zum Licht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2176-8