61. Das Frankensteiner Eselslehen

Zu Darmstadt hat es vorzeiten gar böse Weiber gegeben, wollen hoffen, daß jetzt bessere darinnen sind. Diese damaligen Weiber prügelten ihre Männer, wie die Sage geht, nach Noten und so arg, daß die Männer sich ihrer Weiber und der Schläge nicht anders erwehren konnten, als daß sie Hülfe bei denen von Frankenstein über Bessungen suchten. [56] Denen gaben die Darmstädter alljährlich zwölf Malter Korn, zwei Gulden und zwei Hessen-Albus Geld, dafür hielten die Frankensteiner einen Esel, den sandten sie jedesmal mit gutem handfesten Geleit, wenn er zur Stadt begehrt wurde, und auf sotanem Esel mußte das Weiblein reiten, das seinen Mann geschlagen, und zwar durch die ganze Stadt. Hatte die Frau den Mann geschlagen unversehens oder war dieser krank und seiner Kräfte nicht mächtig, so führte der Geleitsmann den Esel, hatte es aber zwischen Mann und Frau einen offenen und ehrlichen Kampf gesetzt und er von ihr das Beste abbekommen, so mußte der Mann zu seinem großen Schimpf den Esel selbst führen. Zu dieser Zeit ward das Recht und die Sitte gar streng gehandhabt zu Darmstadt, denn es war allda ein Bürgerausschuß, der übte die Polizei und war sehr gefürchtet von allem losen Gesindlein, das nannte ihn, weil er aus hundert Beisassen bestand, das böse Hundert. Da geschah es, daß einmal eine ganze Gesellschaft – ein Kränzchen würde man es heutiges Tages nennen – böser Weiber sich zusammentat, die Männer weidlich schlug, und da haben die Männer des bösen Hunderts an die Frankensteiner geschrieben, daß sie ihnen eilend nach dem Recht und Gesetz des Burglehens mit dem Esel möchten zu Hülfe kommen mit seinem Geleitsmann, und sie wollten beiden, dem Mann und dem Esel, ihren Stadtboten entgegenschicken, daß der beide herein nach Darmstadt geleite, sollten genugsam Mahl und Futter haben, und wenn sie den Esel gebraucht in ihren Nöten, so sollten beide wieder kostenfrei zurückgeleitet werden, damit daß die übermütige, stolze und böse Weibesgewalt möge unterdrückt werden und nicht weiter einreißen.

Und auch hernachmals ist solche Strafe noch öfter zu vollziehen nötig gewesen, und andere Orte der Nachbarschaft haben den Esel auch nötig gehabt, wie Pfungstadt, Niederramstadt, Crumstadt, Goddlau usw., und Bessungen allein ist denen Rittern von Frankenstein hundert Malter Korn vom Eselslehen schuldig geblieben, daher liehen sie ihnen auch den Esel fürder nicht mehr, mochten ihre Weiber die Bessunger noch so sehr schlagen.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 61. Das Frankensteiner Eselslehen. 61. Das Frankensteiner Eselslehen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2391-7