XX. Zaubermord.

Das Leben gleicht der Lilie, die blüht im hellen Schein;
Auch Unschuld gleicht der Lilie, so himmlischzart und rein.
Oft vom Verderber werden die Lilien geknickt,
Oft, eh' sie noch verblühten, von rauher Hand zerpflückt.
In Frankfurt nun weilt Faustus, noch still, noch unerkannt;
Da naht der Geist mit Wagner, von ihm vorausgesandt.
»Du bist zu spät gekommen, schon ist ein Faustus hier,
Der stiehlt mit Gaukelkünsten Ruhm, Ansehn, Ehre Dir!«
»Er liess den Circus bauen, vor dem das Volk sich schlägt,
Das Deine Kunst zu schauen so sehr Verlangen trägt.
Und dort auf einer Fahne, die hoch in Lüften weht,
Dein stolzer Name Faustus, deutlich zu lesen, steht!«
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Mein Name?! Tod und Hölle! Auf! führt mich eilig hin!
Dem Mann sei Tod geschworen, so wahr ich Faustus bin!‹
Des wilden Zornes freut sich der unheilfrohe Geist,
Sie nahen ungesehen dem Zaubercircus dreist.
Dort decket tyr'scher Purpur den Boden, wie den Tisch;
Viel' magische Geräthe umherstehn im Gemisch.
Phiolen, Götzenbilder, und in krystallnem Glas
Vier Lilien, hell wie Silber, die Blätter Chrysopras.
Schon drängt in dichten Haufen das Volk sich, Bank an Bank;
Des Gauklers lustger Diener ergötzt durch manchen Schwank.
Dann naht er selbst, und Jubel ihm laut entgegen braust,
Und Beifallruf: »Das ist er! Das ist der ächte Faust!«
In Faustus Busen wühlet wie Dolche solches Wort;
Wild blickt er auf den Zaubrer, und brütet Rach' und Mord.
»Du raubst mir Ehr' und Namen mit frechem Gaukelspiel!
Das zahlst Du mit dem Leben – und zahlst noch nicht zu viel!« –
Des Zaubrers Diener einer muss schweigend niederknien,
Darauf ein schneidend Richtschwert entblössen sicht man ihn.
Ein angsterregtes Flüstern geht durch die Menge sacht:
»Was wird er jetzt beginnen? Welch neues Stück? Habt Acht!«
Er schwingt das Schwert, – es gellet ein Schrei des Schreckens hell –
Enthauptet liegt der Diener, hoch springt des Blutes Quell.
In goldner Schüssel zeiget dann jedem, der's nicht glaubt,
Ein zweiter Diener ernstvoll das abgeschlagne Haupt.
[83]
Drauf wird das Haupt gezäubert und sorglich hingestellt;
Der Leichnam wird erhoben, vom Zauberschwert gefällt,
Und ruhig nimmt der Magus das Haupt in seine Hand,
Fest auf den Rumpf es setzend, es wankt nicht mehr, es stand.
Dann leise Worte murmelnd spricht er den Zauberbann,
Und mit verhaltnem Odem hinstarren Weib und Mann.
Da springt in dem Krystallglas die Lilie hoch empor,
Der Todte – wird lebendig, und wandelt wie zuvor. –
Wie tobt des Beifalls Jauchzen, wie dröhnt das Bretterhaus!
In Faustus Seele schneidet das jubelnde Gebraus.
Er steht verhaltnen Grolles, blickt auf die Lilien hin,
Und harrt des Spieles Ausgang mit racheglühndem Sinn.
Jetzt kniet der Zaubrer nieder – sein Diener fasst das Schwert –
Es sind dem neuen Schauspiel Aller Augen zugekehrt.
Die Schneide blitzt, vom Rumpf ab trennt Jenes Haupt ein Hieb;
Fahr' wohl, bethörter Gaukler, dem nicht sein Leben lieb!
Den Lilien naht sich Faustus, und eine – knickt er schnell,
Und schwindet aus dem Circus: »Das sei Dein Lohn, Gesell!
Du wirst nicht mehr der Affe von meinem Zauber sein.
Du wirst nicht mehr den Namen, den stolzen, mir entweihn!« –
Noch gafft die Menge schweigend, wie sich die Diener mühn
Um ihren Herrn, erbleichend – es ist geschehn um ihn.
Ihr Mühen bleibt vergebens, die Kunst ist ungeschickt,
Die Lilie seines Lebens hat Rache abgeknickt. –
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Das Leben gleicht der Lilie, wie bald ist es zerstört;
Der Höllengeist ist eilig, wenn Rachsucht ihn beschwört.
Doch aus zerknickten Blüthen keimt nie die Frucht der Ruh,
Die Himmelspforte schliesst sich dem Meuchelmörder zu.
[85]

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 20. Zaubermord. 20. Zaubermord. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-243E-0