174. Die Schlacht auf dem Tausendteufelsdamme

König Johann von Dänemark sprach zu dem Herzog, seinem Bruder: Was beginnen wir nur, daß wir das reiche freie Dithmarschenland an uns bringen? Da sprach der Herzog: Wir wollen einen Boten an die sächsische Garde senden, mit deren Beistand wollen wir wohl den Dithmarschen obsiegen. Und sendeten einen Boten auch in die Marsch und kündigten dem Volke an, daß der König drei feste Schlösser haben wolle im Lande, aber das wollten die Bauern mitnichten leiden. Und der Bote ging zurück nach Rendsburg, allwo der König lagerte und ein mächtig großes Heer sammelte aus Jütland, aus Fünen, aus Holstein und aus deutschen Landen; Soldknechte eine ganze Schar vom Rhein, aus Franken und Sachsen, die hatten sich zusammengetan und nannten sich die sächsische Garde. Und da die Garde zu dem Königsheere stieß, da fragte sie: Herr König, wo liegt denn das Dithmarschen? Liegt es im Himmel [136] droben oder auf schlichter Erde? – Da sprach der König: Es ist nicht mit Kloben an den Himmel geschlossen, es liegt auf Erden. – Darauf sprach wieder die Garde: Herr König, wenn das Dithmarschenland nicht mit Kloben an den Himmel geschlossen ist, so soll es bald unser werden. – Und da ließ der König die Fahnen fliegen und die Trommeln schlagen und zog mit dem Heere von zwölftausend Mann auf das tiefe Land zu. Zuerst zog das Heer nach Windbergen, da lag es eine kleine Weile und rastete, hernach zog es weiter nach Meldorf zu und trieb allerlei Übermut und Grausamkeit. Sie steckten des Königs Banner hoch vom Turme aus und hingen ihre Schilde über die Mauer, alles den Dithmarschen zum Hohne. Die hatten nur eine kleine Schar von tausend Streitern und wichen zurück bis an die Hemmingstetter Brücke. Da war noch ein Wall aus der alten Sassenzeit und tiefe Graben, und die Graben waren schlammig und voll Wasser. Da machten die Dithmarschen in der Nacht ein Bollwerk, stopften die Lücken des alten Erdwalles mit Moos und Schlamm und Binsen, machten ein Pfahlwerk und erwarteten den Feind. Der kam im Frühstrahl herangezogen, voll Kampfesmut, und die Dithmarschen warfen ihnen einen Steinhagel entgegen. Die Feinde aber suchten in Eile den Graben zu überbrücken, sie banden Speere zusammen, und darauf warfen sie querüber wieder Speerbündel, und nun hinüber, aber rücklings wurden sie niedergestürzt und niedergeschmettert. Viele wollten im Sprung die Höhe des Walles gewinnen und schwangen sich am Schaft der Lanzen hoch empor, aber sie sprangen zu kurz, und wem ja der Sprung gelang, den empfing in Kolbenstreichen auf dem Wall der sichere Tod. Da leuchtete mancher alte Morgenstern vom Bornhöveder Schlachttage wieder hell, und manche verrostete Klinge von damals schliff sich heute wieder blank an Feindes Helm und Panzer.

Aber siehe, plötzlich entstand ein Angst- und Schreckensruf im Kampfhaufen der Dithmarschen: Umgangen! Weh! Wir sind umgangen! Im Rücken heran zog Feindesgewimmel, das an anderer Stelle den Wall überklettert hatte, und es drohte nun der sichere Tod. Da trat plötzlich allen unversehens eine Dithmarschenjungfrau vor, die schwang hoch in der Hand eine Fahne mit dem Bilde des Heilandes und rief laut zur Mutter Gottes: Hilf uns, Maria, Gebenedeite, so gelobe ich dir ewige Keuschheit! – Und: Mir nach, rief sie, drauf! – und stürmte mit der Fahne und einem Schwert und fliegenden Haares geradezu gegen den Feind. Da entstand ein hartes und fürchterliches Schlagen, und lange stand der Kampf, aber die Übermacht der Feinde war allzu groß. Da aber hatte Gott ein Erbarmen und sandte die Flut. Die wälzte sich heran, krachte an die Schleuse, brach die Schleuse, überströmte die Felder von Hemmingstett, und wie die Bauern die Wogen daherbrausen sahen, da jauchzten sie in erneuter Kampflust, nahmen wieder hinterm Tausendteufelsdamme festen Stand, wo sie sicher vor der Flut waren, und schlugen auf den Feind los, den rings die Wogen bedräuten. Da war ein Gardenführer, sie nannten ihn den langen Jürgen, der hatte Herz im Leibe und spornte seinen Hengst, und sprengte glücklich auf den Wall, und rief: Wer wagt es mit mir, der komme heran! – Und da war ein Bauer, der hieß der Reimer von Wiemerstede, der sprang vor, schlug mit seiner Mordaxt des Junker Jürgen Speer zur Seite und hieb mit derselben Axt in den Panzer des Junker ein, die saß so fest, daß er sie nicht wieder herausziehen konnte. Da riß der Reimer den Jürgen am Axtstiel nieder, trat auf das Eisen und trat es dem Junker fünf Zoll tief in den Leib hinein. Und von den andern Feinden blieben zahllose Tote in dieser wilden Schlacht, außer denen, die von den Wogen verschlungen wurden, es blieben da fünf von dem Geschlechte derer von Rantzau, von Ahlefeld sieben, von Wackerbarth vierzehn, der König entfloh zu Schiffe. Lange sind noch Lieder von dieser Schlacht auf die sächsische Garde, von Jürgen Slens, von der kühnen Maid und dem Reimer von Wiemerstede im Dithmarschenlande gesungen worden.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 174. Die Schlacht auf dem Tausendteufelsdamme. 174. Die Schlacht auf dem Tausendteufelsdamme. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2623-7