891. Notburga

Der vorstehenden Sage nahe verwandt ist die von der heiligen Notburga, der im Dörfchen Hochhausen eine Kapelle errichtet ward. Notburga war des Frankenkönigs Dagobert Tochter, der schirmte sein Reich gegen die Wenden und hatte Lager geschlagen auf dem Hornberg, andere sagen bei Mosbach. Da kam der Heidenführer Samo und warb um der Christenjungfrau Hand und gelobte, wenn er sie erhielt, sein Volk zurückzuführen. Da nun in des Heiden Begehren gewilligt ward, weigerte sich dennoch Notburga hartnäckig, die Seine zu werden, und als man sie auf das heftigste bedräuete, entwich sie und barg sich in eine Höhle am jenseitigen Ufer des Neckar. Eine Hirschkuh folgte ihr und ernährte sie, aber der Koch ihres Vaters folgte der Hinde und fand Notburgas Zufluchtsort und zeigte ihn ihrem Vater an. Dieser kam nun selbst und wollte mit Gewalt seine Tochter am Arme aus der Grotte ziehen, da blieb ihr Arm in seiner Hand, und entsetzt entwich Dagobert. Zu Notburga kam eine Schlange, die trug in ihrem Mund ein Heilkraut, das heilte Notburgas Wunde alsobald, und Dagobert zog von hinnen. Zu der heiligen Einsiedlerin aber wallte das Volk in Scharen, und sie lehrte ihm den Acker- und [577] Weinbau und des Friedens sanfte Künste. Endlich starb Notburga, von der ganzen Gegend als Heilige verehrt, und vor ihrem Tode ordnete sie an, daß ihr Leichnam auf einem mit Stieren bespannten Wagen möge in das Feld geführt werden, wie auch Sankt Sebaldus getan und die heilige Stilla, und wo die Ochsen mit dem Leichenwagen stillestünden, da solle man sie begraben. Solches geschah, und ward an die Stätte das Kirchlein zu Hochhausen erbaut und Notburgas Steinbild in der Grotte aufgestellt, das hält in der rechten Hand die Schlange mit dem Heilkraut, der linke Arm fehlt, das Haupt schmückt eine Krone.

Den Jungfrauen selbiger Gegend muß eine absonderliche Neigung für Felsengrotten innegewohnt haben, wenn nicht eine und dieselbe Sage nur in mannigfaltiger Umwandlung sich wiedergebar, denn wieder geht die Sage von einer Tochter des Grafen von Hornberg, Minna, die einem Ritter namens Edelmut in heimlicher Minne sich zugesagt hatte und ihrem Elternhaus entfloh, um einer Verbindung mit einem andern Ritter, den sie nicht lieben konnte, auszuweichen, sodann mit einer vertrauten Dienerin in einem Nachen zur Nacht über den Neckar fuhr und sich in der Felsengrotte mit dieser sieben Jahre lang verbarg, bis die arme Minna in sehnsuchtvoller unbefriedigter Minne sich verzehrte, denn ihr Edelmut kämpfte im Heiligen Lande gegen die Sarazenen. Da er nun endlich heimkehrte und die Geliebte suchte, fand er nur die trauernde Dienerin noch am Leben und erbaute dann eine Burg, die er doppelsinnig Minneburg nannte.

Was aber die heilige Notburga betrifft, so geht die Sage von ihr auch in Tirol, im untern Inntale, auf dem Schlosse Nottenburg, dort soll sie als fromme Magd gedient haben, und als sie starb, trugen Engel die Seele in den Himmel. Auch dort zogen Ochsen ihre Leiche, und als sie über den Inn schritten, murmelten des Flusses sonst laut tobende Wellen nur ganz leise. Sie ruht alldort in der Kapelle des heiligen Ruprecht.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 891. Notburga. 891. Notburga. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-298B-5