X. Praestigiar.

»Hoch Faustus! Hoch! Er lebe!« so schallt's im hellen Saal
Vom Munde froher Zecher, Pokal klingt an Pokal;
Gewandte Diener fliegen den Elfen gleich, umher;
Süss rauscht von holden Klängen ein unsichtbares Meer.
Von bunten Lichtern schimmern die Spiegelwände all',
Und Zauberbilder lächeln und gaukeln im Krystall.
Dort hauchen Blumen Balsam, dort schwebt des Weihrauchs Duft,
Zum Garten wird der Festsaal, wie zum Arom die Luft.
Dort springen klare Bronnen, wie steigt ihr Silberstrahl!
Dort bieten sich die Früchte Hesperiens zur Wahl.
Gleich flüss'gen Edelsteinen, im feuergoldnen Glanz,
Blickt dort von edlen Weinen krystallklar mancher Kranz.
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Und dort bei hohen Gästen sitzt Faustus, reichgeschmückt;
Ihn hat mit Wundergaben, so scheint's, das Glück beglückt.
Und wie die Sonne freudig ausstrahlt ihr ew'ges Licht,
Bei ihm der Kranz des Frohsinns in holde Blüthen bricht.
Ja, Frohsinn ist ein Gastwirth, den Keiner schelten soll;
Vom Zauberwein der Freude sind seine Keller voll.
Ihm dienen heitre Scherze, sind immer bei der Hand,
Und Lust ist seine Kelln'rin, holdselig, flink, gewandt.
Sein Schild ist aufgehangen hochprangend am Portal,
Darauf ein passend Sinnbild: ein schäumender Pokal.
Und drunter steht mit Goldschrift, die weit ins Auge gleisst,
Das: Ede, bibe, lude, und wie es weiter heisst.
Zu frohen Liedesstimmen, zu hellem Becherklang,
Ertönt von Waldessängern melodischzarter Sang.
Aus grünem Laubwerk flötet ihr Lied die Nachtigall,
Hell tönt aus düstern Büschen des Amselschlages Schall.
Und plaudernd wiegt in Ringen sich mancher Papagei;
Zahm schreiten Goldfasanen und Kraniche herbei.
Wie fröhlich sind die Gäste; sie scherzen laut und viel,
Und treiben mit den Thieren manch neckisch Gaukelspiel.
Da schallt ein grimmes Heulen, gemischt aus Wath und Qual,
Es zittern fast die Säulen im lustdurchrauschten Saal;
Und stille wird's. – Was thut sich so furchtbar drohend kund?
Aufspringt die Thür, es schreitet herein – ein schwarzer Hund.
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Gross, riesengross, und kohlschwarz und scheusslich nackt, das Paar
Der Augen glüht wie Kohlen, das ist Prästigiar.
Die Zähne zeigt er murrend, und wild der Augen Gluth;
Und alles schweigt – sein Anblick lähmt Freude, Lust und Muth.
So schleicht sich zu dem Frohsinn gar oft ein düstrer Gast,
Bei dessen Schreckensanblick die Menschheit Schauer fasst,
Mit welchem Spiel zu treiben sich Keiner leicht erfrecht,
Denn oft zum strengen Herrscher aufwirft sich solcher Knecht.
Und zürnend blickt nun Faustus, und ruft ihm herrisch zu;
Gehorsam liegt der Riese zu Füssen ihm im Nu,
Und setzt sich wieder aufrecht, reicht ihm die Tatze dar,
Dann wandelt, gleich dem Tanzbär, murrend Prästigiar.
Mit Grausen sehn's die Gäste; zu schrecklich blickt der Hund,
Und zeigt die scharfen Zähne, den feuerrothen Schlund.
Sie blicken mit Entsetzen auf ihn, den Freudenstörer,
Und es wird still im Lustsaal, und leer, und immer leerer.
Die Waldessänger schweigen im grünen Zauberlaub,
Das abfällt von den Zweigen und wird zu Stroh und Staub;
Und keine Lieder klingen; wozu? der Saal ist leer,
Und keine Brünnlein springen mit sanftem Rauschen mehr.
»Was scheuchst Du mir die Freude?« ruft Faustus zürnend, hart:
»Die Gäste mir vertreibend durch Deine Gegenwart?
Was trittst Du, nicht gerufen und nicht begehrt, zu mir?«
Dumpf heult: »Das musst Du dulden!« zur Antwort ihm das Thier.
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Da wächst ein banges Grauen in Faustus Seele fest,
Und schweigend er mit Wagner den Saal der Lust verlässt.
Nicht fuhrt er mehr zum Munde den schäumenden Pokal,
Der Frohsinn ist verschwunden, der Freudenwein ist schal.
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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 10. Praestigiar. 10. Praestigiar. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2D4D-F