8.

(Nymphenburg, Januar 1901.)


Nun ist viel tot in mir. Ich weiß nun, jene Qual
Die mich ins Fremde trieb und immer rückwärts doch
Den Blick der Sehnsucht wandte, war nicht mehr
Als einer Krankheit letzter Ueberfall.
Sieh, auf dem Schnee hier steht ein Sarg, – hinein
Die leere Puppe jenes faulen Grams!
Lemuren, kommt, und schaufelt mir ein Grab
Für diese böse Puppe, – Schnee, Schnee, Schnee
Darauf und schwere Blöcke Eis. Macht schnell!
Tief, tief das Grab, in Eis und Schnee tief, tief!
Ich will nicht wissen, wo der Popanz liegt!
Ah, daß ich frei bin! Wintersonne, sieh,
Hier steh ich fröhlich zwischen Eis und Schnee,
Und niemals wußt ich mehr, was Frühling ist.
Ich war ins Grau, ins Neblige verrannt.
[368]
Ich hing am Gram wie in der Spinne Netz
Die arme Fliege, und schon fuhr auf mich
Die große Spinne los, die alles frißt,
Da sprach was über meinem Leben wacht:
Noch nicht, noch nicht! Und wie im Märchen wars:
Ich stand verwandelt und erlöst und frei
Im allerschönsten Schlosse von Kristall.
Oh schöner Winter, kalt und sonnenklar,
Dein Frost hat mich gesund gemacht und hart.
Mir ist, als ruhte jetzt in meiner Hand
Ein wohlgehämmert Schwert. Und ich bin stark,
Mir alle Wege frei damit zu haun.
In Niederungen geh ich nun nicht mehr.

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TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Gedichte. Irrgarten der Liebe. Gedichte. Sentimentale Reise. 8. [Nun ist viel tot in mir. Ich weiß nun, jene Qual]. 8. [Nun ist viel tot in mir. Ich weiß nun, jene Qual]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2F8B-A