Seeschlacht mit Mondschein

Baßtief brüllen die Kanonen,
Fistelnd zischen Torpedonen
Durch des Meers bewegte Flut;
Zu Bellonas Orgelweisen
Muß ins harte Seegras beißen
Manch ein Krieger hochgemut.
[239]
Stahlgußbomben, Stahlgußplatten
Sieht man tödlich sich begatten;
(Was mit vielem Lärm geschieht,
Weil bei diesem Kopulieren
Als Trauzeugen assistieren
Dynamit und Melinit.)
Kessel platzen, Schiffe sinken,
Niederträchtge Gase stinken,
Pulverdampf bedeckt das Meer,
Abgerißne Arm und Beine
Schwimmen still im Mondenscheine
Auf der salzgen Flut umher.
Und der biedre Vollmond zwinkert,
Daß es auf den Wellen blinkert,
Und er spricht: »Das ist gewiß:
In der hohen Kunst, zu morden,
Sind geschickter sie geworden
Seit der Schlacht bei Salamis.
Seit in seinen Mußestunden
Jener Mönch die Kraft erfunden,
Die den Tod von weitem speit,
Brachten sies, das muß man sagen,
In der Kunst, sich totzuschlagen,
Wirklich ganz erstaunlich weit.
Selbst die Mongolomalaien
Haben das Verderbenspeien
Den Europäern abgeguckt, –
[240]
Was gewiß durchaus kein kleines,
Nein vielmehr ein ungemeines
Zivilisationsprodukt.
Sollte mans für möglich halten?
Die in nichts für Meister galten,
Als der Kunst geschliffenen Lacks,
Machten schon, wie ungeschliffen!
Aus armierten Russenschiffen
Völlig desarmierte Wracks.
Und sie schleudern Zuckerhüte
Von nicht mindrer Kraft und Güte,
Als der Russe schleudert; ja
Im Torpedomanövrieren
Scheinen sie zu exzellieren,
Wie ich selbst es noch nicht sah.
Intressant, muß ich gestehen,
Ist es mir, das anzusehen,
Der ich doch sonst sehr blasiert:
Schließlich siegen die Japaner,
Und das Reich der Wuttkianer
Wird von Osten kultiviert.
Welche hohe, weite, tiefe
Wundersame Perspektive:
Der Mikado schenkt am End
Jenen knutenfrommen, biedern
Und bescheidenen Moskowitern
Das erträumte Parlament.«
[241]
Also sprach der Mond. Da krachte,
Bum, ein Schuß, und sachte, sachte
Kroch er in den Wolkensack.
Brummelte nur noch verdrießlich:
»Komms, wies kommen mag; denn schließlich
Ist mir wurscht das ganze Pack.
Ob der Weiße, ob der Gelbe
Siegt: es bleibt ja doch dasselbe,
Wie es war und wie es ist:
Daß, bei noch so schönen Reden,
Von den Menschen jeder jeden,
Wenn er Appetit hat, frißt.
Wünsch gesegnete Verdauung
Und heroische Erbauung,
Wie es üblich, als Dessert!«
– Donnern, Heulen, Zischen, Krachen, –
Rot von riesigen Blutbreilachen
Wird das aufgerührte Meer.

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TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Seeschlacht mit Mondschein. Seeschlacht mit Mondschein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3066-4