An den Wind

Er, pleno Titulo, Regent
Von uns'rer Atmosphäre,
Macht wahrlich seinem Regiment
Am Himmel wenig Ehre.
D'rum, Herr Spavento! hör' er mich:
Frisch von der Leber weg will ich
Ihm für sein tolles Wesen
Jetzt die Leviten lesen.
Er ist ein wahrer Erztyrann:
Es bückt in seinem Reiche
Vor ihm sich jeder Unterthan,
Sei's Gräschen oder Eiche:
Ja, wenn's ihm einfällt, müssen gar
Mit augenscheinlicher Gefahr,
Trotz ihrem steifen Rücken,
Sich Thurm und Schornstein bücken.
Und ziehet er als Feind heran
In einem Donnerwetter,
So kündigt er den Krieg uns an,
Wie uns're Erdengötter;
Da nimmt er beide Backen voll,
Und streut, als wär' er noch so toll,
Von Rechten, die nichts taugen,
Brav Staub uns in die Augen.
[113]
Er pflegt hienieden weit und breit
In alles sich zu mischen,
Und sucht, wie seine Heiligkeit,
Im Trüben nur zu fischen;
Und ist dann die Konfusion
Recht groß, so macht er sich davon,
Und läßt die Welt in Kriegen,
Die er erst anblies, liegen.
Es soll nach seinem Eigensinn
Hienieden alles gehen;
Wir Menschen sollen nur, wohin
Es ihm beliebt, uns drehen;
Allein wir kehren seinem Grimm
Den Rücken zu, und zeigen ihm,
(Mag er auch noch so rasen)
Wohin er uns soll blasen.
Er handhabt die Gerechtigkeit
Just so, wie manche Richter:
Statt daß er Wolken oft zerstreut,
Macht er sie nur noch dichter:
Die kleinen Lichter bläst er aus,
Die grossen aber, die uns Haus
Und Hof verheeren können,
Macht er noch stärker brennen.
Von seiner Raubsucht hat man auch
Manch' gräuliches Exempel:
Er fegt oft Nachts mit seinem Hauch
Rein Kirchen aus und Tempel;
D'rum haben auch die Menschen ihn
Verdammt, daß er muß Schiffe zieh'n,
Ja, Mores ihn zu lehren,
Läßt man ihn Gassen kehren.
An Sitten und Manier ist er
Ein wahrer Engelländer:
[114]
Denn, wenn's ihm einfällt, geht er her,
Zerreißt uns die Gewänder,
Wirft uns mit Schlossen, pfeift uns aus,
Als wenn die Welt, dies Narrenhaus,
Nur ein Theater wäre,
Und wir für ihn Acteure.
Und wird nicht gleich ihm aufgethan
So macht er ein Getümmel,
Schlägt uns an Thür und Fenster an
Und poltert wie ein Lümmel,
Läßt keine Fahne ungetrillt,
Und machet jeden Aushängschild,
Sei's Kaiser oder Engel,
Zu einem Galgenschwengel.
Auch wollen ihn, er geiler Bock,
Die Mädchen gar nicht loben:
Es ist ja fast kein Unterrock,
Den er nicht aufgehoben:
Geht das nicht an, so legt er sich
Auf sie, und weiß, dann meisterlich,
Trotz allem Protestiren,
Sie abzumodelliren.
Nichts ist ihm, wenn er saust und braust,
Auf Erden zu vergleichen:
Allein am allerärgsten haust
Er noch in unsern Bäuchen:
Da brummt und keift und zwickt und quält
Er uns, so lang es ihm gefällt,
Und neckt dann durch sein Blasen
Sogar noch uns're Nasen.
Allein, da sing ich armer Narr
Mich athemlos und müde:
Und er bläst fort, und brummt wohl gar
Den Baß zu meinem Liede,
[115]
D'rum Punktum! und kein Wörtchen mehr:
Denn alle die Moral, mit der
Man ihm kommt angestochen,
Ist in den Wind gesprochen.

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TextGrid Repository (2012). Blumauer, Aloys. Gedichte. Sämmtliche Gedichte. Satyrische, scherzhafte und erotische Gedichte. An den Wind. An den Wind. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3699-D