Kantate auf den Tod Ihrer Königlichen Majestät, Louise von Preußen

Der rührenden Zuneigung Ihrer Majestät der Kaiserin von Österreich für die Verewigte gewidmet


Zueignung


Sieh mild, o hohe Frau, auf diese Zeilen
Du liebtest Sie, wenngleich Dir unbekannt.
Als Du, von ird'schem Schmerze Dich zu heilen
Zur vaterländ'schen Quelle Dich gewandt
Erweckte, Deine Liebe Ihr zu teilen
In Deiner Brust, die Sehnsucht Gottes Hand
Auch Sie war krank in Sehnsucht, Dich zu sehen,
Sie wollt' zu Dir, Sie mußt' zum Himmel gehen.
Und weil auf Erden würdig keine Stelle,
Von Sünde und von Lüge unentweiht
Daß Unschuld sich und Hoheit fromm geselle,
Sich zuzuspieglen eine schönre Zeit,
Rief Sie der Herr zu alles Lichtes Quelle.
Dort bleibt ein selig Anschaun auch bereit,
Wenn unter Dir auch ruht dies dunkle Leben
Dem Deine Tugend noch muß Schimmer geben.
Verzeihe, daß der Tod mir herrlich scheinet.
Erfüllet von des Schicksals Bitterkeit,
Hab' ich als Mensch um deutsche Not geweinet,
[204]
Als Christ erkannt des Lebens Eitelkeit –
Doch ist zum Felsengrab die Zeit versteinet,
Durchbricht sie Christi Sieg mit Herrlichkeit
Mit ihm erstehn, die treu mit ihm gestorben,
Es hat solch Heil, die Selige erworben.

Clemens Brentano.


O Herr! Sie ist bei dir, Sie ist bei dir!
Tief unter Ihr
Ruht diese dunkle Erde,
Und aller Tränen Fall,
Und aller Klagen Schall,
Kauft Sie nicht los,
Allmächtiger! aus deiner Liebe Schoß.
Aber wir dürfen weinen,
Weinen um Sie!
Uns gehöret die Erde noch
Und das Leid und die Trauer!
Uns kehrt noch der Frühling wieder
Läßt sich mit Blumen nieder,
Und mit irdischem Entzücken
Lassen wir uns noch berücken,
O ihr Blumen! zu euch nieder
Weinen, die euch künftig pflücken,
Uns bleibt nur Ihr Bild zu schmücken,
Sie kehrt nimmer, nimmer wieder!
Weh! wie gehet ein Ruf
Durch die Gefilde des Landes
Wie schallet schreckend einer Posaune Schall
An die Tore der Stadt!
Ach, des Leides Maß, voll war es nicht
In eiserner Zeit
[205]
Sind die Schwerter unzählige
Und überschwenglich
Ist der Becher der Not!
Die Tränen brechen aus,
Sollen wir sprechen aus,
Wie Sie gewesen ist,
Die nun genesen ist,
Von allem Leid,
Die in der Krone Glanz,
Die in der Blumen Kranz
Glorreich und huldreich war,
Die ein Gestirne klar
Stand in der Zeit.
In des Meeres öder Wüste,
Wo die Sehnsucht ewig sucht,
Uns ein klar Gestirn begrüßte
Über unsrer Heimat Bucht.
Freudig nach dem Sterne schauend,
War das Segel aufgerollt,
Und wir steuerten vertrauend,
Wie es Plan und Fahrt gewollt.
Aber o Trauer, wie tief dein Flug,
Wie steigt eine Finsternis auf
Unter dem schweren Fittich des Wehs,
Eine Nacht decket unsre Augen
Tränen, Tränen sind all unser Trost!
Die Geliebte,
Die uns liebte,
Sie war selig
Sie war selig
Sie war selig unter uns!
[206]
Die Geliebte,
Die uns liebte,
Sie ist selig
Sie ist selig
Sie ist selig ohne uns!
Und wie wir auch bitter trauren
Tränen zu den Tränen gießen
Wachsen nur des Todes Mauren
Die Sie ewig uns verschließen.
Unerbittlich, unerschütterlich
Ein kaltes Felsenhaus
Stößet das Grab die Klage zurück.
Heilig, heilig sind die Schmerzen
Wölben einen festen Bogen
Über unsre treuen Herzen
Die die Trauer hat umzogen.
Widertönend, widerspieglend,
Ein Liebe schallender Tempel,
Hallet das Grab die Klage zurück.
Herrlich war Sie vor der Sonne
Herrlich war Sie vor dem Licht
Und es lachte hohe Wonne
Auf dem holden Angesicht.
Sie trug auf der hohen Stirne
Würdig dieses Lands Gestirne
Eine goldne Königskrone.
Sie trug auf der edlen Stirne
Aller Tugend schön Gestirne
Eine süße Blumenkrone.
Herrlich war Sie vor der Sonne,
Herrlich war Sie vor dem Licht,
[207]
Und es lachte hohe Wonne
Auf dem holden Angesicht.
Einen kenne ich,
Wir lieben ihn nicht,
Einen nenne ich,
Der die Kronen zerbricht.
Weh! sein Fuß steht im Staub,
Sein Haupt in der Mitternacht
Vor ihm wehet das Laub
Zur dunklen Erde hernieder,
Ohn' Erbarmen
In den Armen
Trägt er die kindische taumelnde Welt,
Tod, so heißt er
Und die Geister
Beben vor dir, du eiserner Held!
Einen kenne ich
Wer liebt ihn genug
Einen nenne ich
Der die Dornkrone trug.
Heil! sein Fuß stehet im Licht
Sein Haupt in der Glorie,
Wo er gehet, zerbricht
Des Todes eiserner Riegel.
Voll Erbarmen
In den Armen
Trägt er die sterbliche liebende Welt,
Jesus heißt er
Und die Geister
Beten dich an, du ewiger Held!
Laß mich in die Mitte treten
Wo die frommen Seelen stehn,
[208]
Laß mich lieben, laß mich beten,
Zu dem Grabe laß mich gehn.
Seele, du Kristall!
Gottheit, Lichtesschein!
Du strömst überall
In die Seele ein,
Leib du herrlich Haus!
Beide schließt du ein,
Wie ein Blumenstrauß
Duft und Farbenschein.
Und ich will die Blumen pflegen
Weil die Farbe ewig lebet,
Wohlgeruch auch ewig schwebet,
Muß sich gleich die arme Blume,
Dieser Schrein der Heiligtume
Welkend an die Erde legen.
Ewig, ewig ist das Leben,
Denn ich kann die Augen heben
Kann in tiefer Klage beben,
Kann auf Trauerliedern schweben,
Und mein Herz ist hoch erheitert,
Wenn der Schmerz es so erweitert.
Und ich seh' Sie in der Blüte,
In der Reife vollem Segen,
In dem Ernste, in der Güte,
Wie Sie ging auf unsern Wegen,
Bringet her die Blumenkränze
Wölbet hohe Ehrenbogen,
Daß Sie freudig nochmals glänze
Wie Sie zu uns eingezogen.
[209]
Teppiche breitet
Auf Ihren Wegen
Streuet die Blumen
Der herrlichen Braut,
Sehet, wie schreitet
Der irdische Segen,
Durch unsre Tore,
Von Treue erbaut.
Doch wie wir auch Palmen schwingen,
Ihr die Lebenswünsche bringen,
Wie wir Ihr auch Kränze schlingen
Ach, es kann uns nicht gelingen,
Ihre Milde, Ihre Güte,
Ihrer Anmut grüßend Neigen,
Ihrer Schönheit lichte Blüte,
Kann kein Lobgesang erreichen.
Stille, stille!
Rede von Freude nicht,
Singe mir heute nicht,
Von der verlorenen, schimmernden Zeit.
Hülle, hülle
Schwarz deine Töchter ein
Sie sollen Wächter sein
Ehrend die Tote, mit Blumen bestreut.
Ich will mir das Herz zerreißen
Will die sel'gen Tage preisen
Bis mich tödlich trifft das Leid.
Überm Grab ist eine Höhe,
Und ich schreie, Wehe, Wehe!
Schau' ich rückwärts in die Zeit.
[210]
Überm Grabe ist ein Hügel
Daß die Trauer ihren Flügel
Hebe zu der höhern Welt,
Überm Grabe ist ein Gipfel
Wo an steilem Kreuzeswipfel
Triumphierte unser Held!
Stille, stille
Irdischer Klage Ruf,
Er, der die Tage schuf,
Stellt in die Nächte die Sterne hinein.
Hülle, hülle
Dich in die Nächte ein,
Dort ist der echte Schein,
Laß deinen Mantel voll Sternen sein.
Auf dem hohen Tore flagget,
Wo die Siegesgöttin stand,
Eine schwarze Trauerfahne
Ihre Schatten übers Land,
Und auf dunkelem Gerüste
Singt gehüllt in schwarzen Flor,
Der Sie jubelnd sonst begrüßte
Nun der Schüler Trauerchor:
Du giengst in den Jugendgarten,
Wolltest nach den Blumen sehn
Die Du kindisch einst gepflanzet,
Die in Gottes Sonne stehn.
Wie Du so die Augen lenkest
Auf des Gartens grünen Saum,
Und der Blumen Leben denkest
Trittst Du aus des Lebens Traum.
[211]
Süßre Kelche sich erschließen,
Jenseits liegt die trübe Welt,
Und Du trittst zu Paradiesen
Aus dem ird'schen Rosenzelt,
Und Dein Purpurmantel sinket
Und es sinkt Dein Myrtenkranz,
Aber Deine Krone blinket,
Heller in des Himmels Glanz.
Öffnet, öffnet die Tore der Stadt, ihr Männer,
Zu euch ziehet die Trauer ein.
Und der bittre Schmerz
Pflanzt sein Panier auf eure Mauern.
Stark ist die Liebe,
Sie hat gerungen fürs Vaterland,
Aber stärker der Tod,
Er hat euch geschlagen
Wo ihr tödlich waret.
Was wir liebten,
Was wir ehrten,
Was wir alle lieben lehrten,
Was wir ewiglich begehrten,
Ist entwichen, ist verblichen,
Und es bringt ein dunkler Wagen,
Was der Erde ist, getragen.
Abendröte, Trauerbote,
Unsre Tore stehen offen:
Du hast uns mit Weh getroffen.
Morgenröte, Mittag strahlend,
O ihr sonnenvollen Tage,
Die ich an dem Abend klage.
[212]
Öffnet, öffnet die Tore der Stadt, ihr Männer
Leget die Schlüssel
Auf der Siegerin Wagen,
Die uns geführet mit Liebe sonst,
Die uns besieget mit Trauer jetzt,
Ehret die Asche, ihr sterblichen Männer,
Und weinet der Siegerin!
Die Krieger, die zur Schlacht Sie führte
Und denen Sie die Fahne gab,
Sind Ihres letzten Weges Zierde,
Geleiten Sie zum stillen Grab.
Eine Halle ganz von Schmerzen
Bilden Ihr des Volkes Reihn,
Und Sie zieht durch tausend Herzen,
Die Ihr fromme Tränen weihn.
Und Ihr Auge ist geschlossen
Siehet nicht des Volkes Leid,
Sie hat Tränen sonst vergossen,
Als uns traf die schwere Zeit.
Sie ziehet ein
Des Landes Wonne.
Des Himmels Sonne
Giebt keinen Schein.
Weh, o Wehe unter Klagen
Lassen wir den Trauerwagen
Also still vorüberziehn,
Können wir Sie zu erfreuen
Nicht mehr jubelnd Blumen streuen
Ihr der Blumen Königin.
Auf Ihrem Sarge liegen Blumen
Des frühen Todes rührend Bild,
Auch Sie war eine schöne Blume,
Sie decket jetzt des Todes Schild.
[213]
Ich glaube keinen Tod,
Und stürb' ich alle Stunden,
Ein schönres Morgenrot,
Ist immer mir gefunden.
Ewig, ewig wird Sie leben,
Ist Sie nicht der Zeit geblieben,
Hat Sie uns doch Kraft gegeben,
Daß wir Sie auf ewig lieben.
Ewig, ewig wird Sie leben,
Denn Sie hat Ihr Lebensende
Eine Christin hingegeben
In des Endelosen Hände.
Sehet, wie dränget das Volk sich
Zu den Kleinodien des Reichs,
Die auf des Landes Palast
Traurig schimmern auf schwarzen Kissen.
Dies ist die Krone,
Ihr Männer des Landes,
Die Sie getragen auf würdigem Haupt;
Einsam ruhet der goldene Reif,
Nimmer umschließt er die herrliche Stirn,
Hoher Gedanken Tempel.
Dies ist der Zepter,
Den sie geführet in segnender Hand,
Einsam ruhet der goldene Stab,
Und Ihre Hände sind gefaltet
Über Ihrem Herzen, das fromm war,
Zu Gott, der Ihr gnädig sei!
Tausend kommen, Tausend gehen
Ihre Königin zu sehen,
[214]
So die frommen Bienen ziehen,
Wo die letzten Blumen blühen,
Tragen Tränen in die Zellen,
Wollen gern ein Grab bestellen
Ganz aus Liebe, ganz aus Trauer,
Ihrer hohen Königin!
Stille, stille,
Über den Toten
Ruhet ein Traum
Reißet nicht nieder
Mit irdischem Schmerz
Den Schirm, der die Toten schützet,
Stille, stille
Stehet das Herz
Der Erblichenen,
Und ihre Lippe schweigt,
Stille gebietend.
Und nun weichet von dem Lager,
Einsam sei der Klage Haus,
Denn es nahet Ihr der Nächste,
Weinet seine Tränen aus.
Meine Seele ist betrübet bis in den Tod
Bleibet hier und wachet mit mir,
Mein Vater ist es möglich,
So gehe dieser Kelch von mir,
Doch nicht, wie ich will,
Sondern wie du willst.
Mein Vater ist es nicht möglich,
Daß dieser Kelch von mir gehe,
[215]
Ich trinke ihn denn.
So geschehe dein Wille.
Es erschien ihm aber ein Engel
Vom Himmel und stärkete ihn.
Stillet die Klage,
Schmücket die Trauer,
Ihr sollet nicht zagen,
Vor des Todes Schauer.
Gebet der Erde,
Was sie gegeben,
Es blühet Leben
Über dem Grab.
Mit Blumen sei der Staub gezieret,
Ein glänzend Haus sei ihm erbaut,
Weil jetzt die Seele triumphieret,
Und ihren Gott im Himmel schaut.
Schwarz ist der Leichenzug, ein Schatten
Vom Brautzug in des Himmels Höhn,
Und ach! wir weinen in dem Schatten,
Sie leuchtet in dem Lichte schön.
Des Landes Herrn,
Ich sah ihn weinen,
Des Herzens Stern
Will nicht mehr scheinen,
Er steigt des Domes Stufen
Er folget Ihr, Sie gieng ihm einst zur Seite
Im Frieden, und im Streite,
Und alle Herzen rufen:
[216]
O Herr! Du warst mit Ihr,
Der Bürgertugend Bild
Auf unserm Throne,
O Herr! Du trugst mit Ihr,
Des treuen Volkes Schild,
Die ernste Krone,
O Herr! Sie stand bei dir
So gütig und so mild,
Der Himmel gab Sie dir zum Lohne,
Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen,
Der Wille des Herrn sei gelobet!
Sieh, es folgen auch die Kinder,
Die Sie auf der Erde ließ,
Drei sind Ihr vorausgegangen,
Sie im Himmel zu empfangen,
Engel Ihrer Seligkeit!
Und der Säugling schwarz verhüllet
Wird den Brüdern nachgetragen,
Nie betrat er noch die Erde,
Die die Mutter ihm verschließt,
Und er schlummert –
Selig die Schlummernden,
Ruhig pochet das Herz,
Und es gaukelt der Schmerz,
Ein Traum, über die Wiege hin,
Selig die Unmündigen,
Bunte Blumen und Flitterglanz,
Schimmern im Totenkranz,
Und ihr weinet und lächelt,
Denn ihr versteht, ihr Unschuldige
Das unsterbliche Leben!

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