Schiller

Zum 10. November 1859.


»Das Höchste, was uns kann der Dichter geben,
Das ist sein Selbst – sein Wesen nur allein!
Vor denen, welche mit und nach ihm leben,
Sei dieses würdig, ausgestellt zu sein;
Zum reinsten Menschthum es empor zu heben,
Es ganz zu läutern, sei sein Ziel allein –
Denn höchste Gluth muß er erst in sich schüren,
Der 's wagen will, die Göttlichen zu rühren!«
So sprach der Dichter Schiller – und geblieben
Ist nicht für ihn ein leerer Schall das Wort,
Wo ihn das Innerste nicht angetrieben,
Erklang von seiner Leier kein Accord.
Nicht eine Zeile hat die Hand geschrieben,
Die nicht entquoll der tiefsten Seele Hort –
Was er auch schuf, voll sittlich reiner Klarheit,
Der Abglanz nur ist's seiner eignen Wahrheit!
Er, dem der Freiheit schönster Sang gelungen,
War selber frei in innerster Natur;
Nach einem edlen Weib nur hat gerungen
Der deutschen Frauen erster Troubadour;
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Wie er der Freundschaft Ideal besungen,
War er voll Treu' ein Freund, wie Wen'ge nur –
So wissen kaum wir, wunderbar getrieben,
Ob mehr der Dichter – mehr der Mensch zu lieben!
Zum Menschen Schiller richte deine Blicke,
O, Jugend, die begeistert auf ihn lauscht!
Damit nicht nur dein Ohr sein Wort entzücke,
Sein Sang nicht nur die Phantasie berauscht;
Sein ganzes Bild der vollen Seele drücke
Dir ein, und sorg', daß nie die Zeit es tauscht,
Lass' es in's Herz dir wachsen, in das weiche,
Wie Heil'genbilder in den Stamm der Eiche!
Denn auf des Lebens wild verworr'nen Wegen,
Wo oft ein Sturm des Glaubens Baum entlaubt,
Ist's dem enttäuschten Herzen Himmelssegen,
Wenn's noch durch Einen an die Menschheit glaubt,
Wenn's noch ein Ideal darf in sich hegen,
Das nie der Täuschung kalte Hand ihm raubt:
Denn zweifellos, im reinsten Schönheitslichte,
Steht er auf ew'ge Zeit in der Geschichte.
Und auf den Menschen Schiller seht, ihr Dichter!
Nie sprach er: Was der Genius thut ist recht!
Nie wollt' er, daß die Welt ein mildrer Richter
Ihm sei, als einem staubgebornen Knecht.
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Des Geistes Hoheit war ihm der Verpflichter,
Auch groß zu sein; wenn göttliches Geschlecht
Für sich verlangt der Genius, soll er zeigen,
Daß er auch kann als Mensch den Göttern gleichen!
Ihn trug das Leben nicht auf glatter Welle,
Sein Tod erst war's, der Kampf und Noth gestillt,
Doch keinen Fleck ließ es auf seiner Helle,
Nein, wie sein Tell – o, unvergänglich Bild –
Der Feinde Schiff geschleudert kühn und schnelle
Mit starkem Fuß in Fluth und Brandung wild,
So stieß er das Gemeine, das uns Alle
Bedrohet, von sich ab zu nächt'gem Falle.
Drum – wie wir auch die Dichter alle lieben,
Die Unsren – heißer doch die Wange brennt,
Das Herz fühlt sich zu höh'rem Schlag getrieben,
Wenn man den Namen unsres Schiller nennt;
Und daß er sich so tief hat eingeschrieben
In Aller Herzen – ist, weil Keiner kennt
Ein Größ'res, als »des Genius hohe Sendung
In Harmonie mit sittlicher Vollendung!«

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TextGrid Repository (2012). Büchner, Luise. Gedichte. Frauenherz. Erzählende und Gelegenheits-Gedichte. Schiller. Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-45EB-B