[251] [253][1] Die erste Satyre
Der Tod des ungerechten Geitzhalses
Den Harpax, welcher sich zum reichen Mann gelogen,
Und selten einen Spruch im Richter-Ammt gethan,
So er nicht, nach dem Werth der Gaben, abgewogen,
Den griff vor kurtzer Zeit ein brennend Fieber an;
Allein es fand bey ihm gar wenig anzuzünden,
Dann, weil der schnöde Geitz das meiste weggezehrt,
Kroch es, der Flamme gleich, die auch bey starcken Winden
Nur langsam durch den Sand verwachsner Aecker fährt.
Vermeinest du, mein Freund, daß dieses ihn verdrossen?
O nein! der weise Mann braucht die Gelegenheit;
Weil ihm kein Essen schmeckt, ist seinen Hauß-Genossen
Auch nur die halbe Kost, ein Krancken-Mahl, bereit.
Er läßt sie insgesamt vor seinen Stuhl bescheiden,
Und lehrt, was Mäßigkeit für edlen Nutzen schafft;
Auch wie von Uberfluß sein Magen müsse leiden,
Der gleichwohl in geheim den falschen Kläger strafft.
Die Knechte, deren Hertz sich noch nicht loßgerissen
Von dem, was Regung heißt, die sehnen sich nach Brodt:
Ihr Hunger, der nichts will von leeren Regeln wissen,
Wünscht bald dem krancken Wirth Gesundheit, bald den Tod.
[253]Die Schwachheit mehret sich; doch Harpax will nicht sterben.
Er denckt der Sache nach, wie jämmerlich es sey,
Eh' als die Welt vergehn, und andre lassen erben;
Drum suchet er den Rath der Seinigen herbey.
Die wollen seine Glut mit Kraut und Eßig brechen;
Er schlägt es aber ab, weil er die Kosten scheut,
Und fragt nach jemand sonst, der bloß durch Seegensprechen,
Aus Freundschafft, ohne Geld, und anders nicht, befreyt.
Der Anschlag geht nicht an: man muß zum Artzte schicken.
Der kommt, der Krancke spricht: Es fehlt mir an der Ruh,
Und wird euch euer Fleiß in dieser Cur gelücken,
Sag ich zur Danckbarkeit euch meine Dienste zu.
Ich weiß schon euren Streit, und auch vielleicht von allen
Mehr Nachricht als ihr selbst; ja bildet euch nur ein,
Daß wider euch gewiß das Urthel werde fallen,
So bald ein anderer, als ich, wird Richter seyn.
Der Artzt, dem dieses Wort durch Marck und Beine dringet,
Fällt auf den Krancken zu, beklammert Pulß und Hand,
Und weil sein eignes Blut, aus Furcht und Hofnung, springet,
So setzt er aufs Papier mehr, als ihm selbst bekannt.
Eins kränckt den Harpax noch, daß er nichts von Processen
Des Apotheckers weiß; doch denckt er: Zeit bringt Rath,
Bin ich nur erst gesund. Es kommen unterdessen
Die Mittel, die ihm bloß das Glück verschrieben hat.
Er aber darf, aus Geitz, dieselben nicht geniessen,
Er schont den Stärck-Tranck offt, wenn er am besten labt;
Stiehlt sich die Pulver selbst und steckt sie unters Küssen,
Wo er mit diebscher Faust das Gold von Pillen schabt.
So, daß je mehr und mehr die Lebens-Kräffte schwinden,
Und man schon in der Stadt viel Freuden-Zeichen sieht;
Weil, der die Waysen drückt, und Wittwen pflegt zu schinden,
Nun, wie ein halbes Aaß, den letzten Athem zieht.
Der Sohn, der allbereit im Geist Ducaten zehlet;
Die Frau, die ihren Sinn auf junge Freyer kehrt;
Die trauren, daß er sich und sie so lange quälet,
Und fragen, welchen er von Geistlichen begehrt.
Er spricht: Der meinen Sohn zur Tauffe hielt, Herr Velten,
Denn, wie ihr wißt, so blieb der Pathen-Pfenning aus.
[254]Steht ihm dergleichen frey, so muß es mir auch gelten;
Drum beicht ich frey bey ihm, ich und mein gantzes Hauß.
Der Schrifftgelehrte kommt, mit fast betrübten Blicken,
Und denckt: Im Testament steh ich wohl oben an.
Er will Magd, Frau und Kind mit seinem Trost erquicken,
Von denen keines mehr das Lachen bergen kan.
Man führt ihn stille fort; er pflantzt sich bey dem Krancken,
Betrachtet die Gefahr, die mehr als allzugroß,
Und schüttet ihm den Sack voll heiliger Gedancken,
Mit Thränen untermengt, in seinen matten Schooß.
Er klagt, daß so ein Mann sein theures Haupt soll neigen,
Der so viel Tugenden auf Erden ausgeübt,
Und welcher noch vielleicht will in dem Tode zeigen,
Wie er so inniglich das Predigt-Amt geliebt.
Nein, Herr Gevatter, nein, schreyt Harpax ihm entgegen,
Sterb ich, so werdet ihr nicht einen Groschen sehn;
Doch, wenn ihr durchs Gebet den Himmel könnt bewegen,
Daß ich nicht scheiden darff, so möcht es anders gehn.
Herr Velten stutzt, und fängt den Stachel an zu wetzen,
Nachdem der Fuchsschwantz nichts beym Sünder ausgericht,
Und rufft, er solle doch sein Unrecht hier ersetzen,
Wo nicht, so sey kein Platz für ihn im Himmel nicht.
Er zehlt an Fingern her die falschen Eydes-Schwüre,
Womit er Gott und Recht, und andere, verletzt;
Wie manchen, der itzund sich nehrt vor fremder Thüre,
Er aus dem Eigenthum des Seinigen gesetzt;
Wie lang er küpffern Geld so häuffig lassen regnen,
Als seines Fürsten Gunst zum Deckel ihm gedient.
Was wird, Gevatter, euch in jener Welt begegnen,
Wenn ihr euch nicht bekehrt, und in der Zeit versühnt?
So warnt sein treuer Mund, so bald er nur gespühret,
Daß er für dieses mahl kein Erbe werden soll.
Der Krancke, dem er nie das Hertz so scharf gerühret,
Spricht mit gebrochner Stimm: Ach, ich erkenn' es wohl!
Giebt aber diesesmahl des Höchsten Wunder-Güte,
Auf wenig Jahre nur dem schwachen Leibe Frist,
So will ich, glaubt es mir, aus Christlichem Gemüthe,
Ein Werck der Liebe thun, das recht erbaulich ist.
[255]Und denen ich vorhin das Ihrige genommen,
Die sollen wiederum davon den zehnten Theil
Von mir, wie sichs gebührt, um Zinß gelehnt bekommen.
Ach freuet euch mit mir, daß mein Gewissen heil.
Man siehet bald darauf ihn mit dem Tode ringen,
Der gute Velten wird vom Beten abgeschreckt;
Doch andre fahren fort mit Sprüchen und mit singen,
Das Buß und Andacht sonst bey Sterbenden erweckt.
Als er nun ungefehr von seinem Heyland höret,
Der seine Schuld bezahlt, die Handschrifft ausgelöst;
Da wird er so von Geitz und Phantasie bethöret,
Daß er noch diese Wort' aus seinem Rachen stößt:
Was? Meine Schuld bezahlt? Die Sache schwebt im Rechte.
Ich werde nichts gestehn; wer weiß, wer noch verliert?
Damit entfährt der Geist dem losen Mammons-Knechte,
Dem ieder nun das Grab mit einem Schelmen ziert.