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»Bald legt sich der Alte zur letzten Ruh
Und fällt sein brechendes Aug erst zu, –
Auf welcher Seite sei das Recht, –
So bin ich der Herr, so bist du der Knecht.« –
»Du, Doppelgänger, bist mir fast,
So wie ich dir, in der Seele verhaßt;
Und schläft er... ich frage nach keinem Recht,
So bin ich der Herr, so bist du der Knecht.« –
»Ich bin der Graf, wer widersagt
Dem hochgeborenen Herren? wer wagt
Verblendet gegen mich den Raub?
Vor mir, Leibeigener, in den Staub!« –
»Ich bin der Graf und dulde hier
Dein blasses Bild nicht neben mir;
Ich werfe dich in den tiefsten Turm;
Zu meinen Füßen kreuch, du Wurm!«
[324]
»Wenn schmähen deine Zunge darf,
Ist doch dein Schwert viel minder scharf,
Sonst müßte bald entschieden sein
Wohl zwischen uns das Mein und Dein.« –
»Was warten wir, daß sein Auge bricht?
Ich fälle dich gleich, du Bösewicht!« –
»Was warten wir? das sprachst du gut;
Gleich dünge mein Land dein schwarzes Blut!«
Vernahmst du, Graf, der Waffen Klang
Vom Hag herüber die Halle entlang?
Was trägt dein schwankender Fuß dich dahin?
Ach! Unheil ahndet dein finstrer Sinn.
Und über zwei Leichen auf blutigem Grund,
Da ringt er verwaist die Hände wund,
Und weint die alten Augen blind,
Und schüttelt sein greises Haar in dem Wind.

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TextGrid Repository (2012). Chamisso, Adelbert von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Lieder und lyrisch epische Gedichte. Der Graf und der Leibeigene. 2. [Bald legt sich der Alte zur letzten Ruh]. 2. [Bald legt sich der Alte zur letzten Ruh]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4BBC-B