Ein sonderlicher Kasus
von harten Talern und Waldhorn

Musik! O ja, Musik ist eine herrliche Sach; auch die heiligen Engel im Himmel sind Freunde davon, ich habe sie mehr als einmal auf Schildereien blasen sehen. Und die Musik ist lieblich zu hören, und hat wirklich Gewalt aufs Herz. Ich habe wohl hundertmal wieder dran gedacht, wie sie mich 'nmal erweicht hat, als Paul mir meine harten Taler gestohlen hatte. Der Paul Dieb der! Hatt ihm so oft aus der Not geholfen, und stahl mir doch [32] meine harten Taler; meine Mutter hatte sie mir noch auf ihrem Todbette gegeben. Die Mütter haben's denn so an sich, daß sie harte Taler haben, und meine hatte von jeher viel von mir gehalten: ich hab ihr auch mein Tage nichts in'n Weg gelegt, und, als sie merkte daß sie schwach ward, rief sie mich ans Bett und gab mir neun Stück harte Taler, zwei Tage eh sie starb, nun Gott habe sie selig, sie war eine gute Frau – aber wieder auf die Musik zu kommen, so wollt ich erzählen, wie sie mich 'nmal erweicht hat, denn ich war recht ärgerlich über meine Taler und über den untreuen, undankbaren Kerl. Wo ist Paul? »In den Wald gangen«; ich nach, blickte wild durch Busch und Baum, und wollt ihn schlagen, wo ich 'n träfe, und das Blut kochte mir in den Adern – da fingen in der Ferne des gnädigen Herrn seine Jäger an zu blasen. So hatt's mir niemals noch gedaucht; ich hörte, stand still, und sah um mich. Ich war grad an dem Schmerlenbach, und Pferd' und Küh und Schafe standen am Ufer und tranken alle aus dem Bach, und die Jäger bliesen. – »Harte Taler hin, harte Taler her! will Paul nicht schlagen«, und ich vergab ihm in meinem Herzen am Schmerlenbach, wo ich stand, und ging wieder zu Hause. Wenn aber das nicht von ohngefähr so gekommen wär und die Musik 's würklich getan hätte, da wäre sie ja Gottesgab, und man sollte sie zu so was brauchen. Aus dem ewigen Quinkelieren wird so nicht viel.

;

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Claudius, Matthias. Gedichte und Prosa. Asmus omnia sua secum portans. Erster und zweiter Teil. Ein sonderlicher Kasus von harten Talern und Waldhorn. Ein sonderlicher Kasus von harten Talern und Waldhorn. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-551D-D