42. Der verwunschene Frosch.
Mündlich in Platendorf und in Hannover.
Es war einmal ein Kaufmann, der hatte drei Töchter, seine Frau aber war beim lieben Gott. Einst wollte er über das Weltmeer nach einem fremden Lande, um Gold und andere kostbare Sachen zu holen; und er tröstete die weinenden Kinder und sagte: »Ich bringe euch auch was Schönes mit! Was wünschet ihr euch?« Die älteste bat um ein seidenes Kleid; »es muß aber von dreierlei Seide sein.« Die zweite wünschte sich einen Federhut; »er muß aber dreierlei Federn haben.« Die jüngste endlich sagte: »Mir bring eine Rose mit, lieber Vater; sie muß aber frisch und[139] von dreierlei Farbe sein.« Der Kaufmann versprach es, küsste die Töchter und reiste weg.
Nachdem er in dem fremden Lande angekommen war, bestellte er für seine älteste Tochter das Kleid von dreierlei Seide, für die zweite den Hut mit dreierlei Federn, und beides war bald fertig und von seltener Pracht. Nun sandte er auch Boten aus durch dasselbige ganze Land, um für seine jüngste und liebste Tochter die dreifarbige Rose zu suchen; doch alle kamen mit leerer Hand zurück, obgleich der Kaufmann viel Gold ausgelobt hatte, und obgleich es dort mehr Rosen gab, als Gänseblümchen bei uns. Traurig fuhr er wieder heim und war die ganze Reise mismuthig; da kam er diesseit des Weltmeers an einem großen Garten vorbei, in dem gab es nichts als lauter Rosen und Rosen. Er gieng hinein und suchte, und siehe! auf einem schlanken Strauche mitten im Garten saß die dreifarbige Rose. Voller Freude brach er sie und wollte wieder zurück; da aber war er festgebannt, und eine Stimme hinter ihm rief: »Was willst du in meinem Garten?« Er sah hin, und ein großer Frosch saß dort am Ufer eines klaren Teiches, stierte ihn an mit seinen Glotzaugen und sagte: »Du hast meine liebe Rose gebrochen und bist dafür dem Tode verfallen, es wäre denn, daß du mir deine jüngste Tochter zur Frau gäbest.« Der Kaufmann erschrak und bat und flehte; es war aber alles vergebens, und so mußte er sich endlich entschließen, seine liebste Tochter dem häßlichen Frosch zu verloben. Da waren seine Füße gelöst, und er wanderte frei aus dem Garten; der Frosch aber rief ihm noch nach: »In sieben Tagen hole ich meine Gemahlin!«
Das war ein Herzeleid, als der Kaufmann der jüngsten Tochter die frische Rose gab und dabei den Vorfall erzählte! Und als der schreckliche Tag kam, kroch sie unter ihr Bett; denn sie wollte und wollte nicht mit. Um die Mittagsstunde aber kam ein stattlicher Wagen vorgefahren; und der Frosch schickte seine Diener ins Haus, die giengen stracks in die Kammer, holten die schreiende Jungfrau unter dem Bett hervor und trugen sie in den Wagen; die Rosse sprangen davon, und in kurzer Zeit [140] waren sie in dem blühenden Rosengarten. Mitten im Garten, dicht hinter dem klaren Teiche, stand ein kleines Haus; die Braut wurde ins Haus gebracht und auf ein weiches Bett gelegt, der Frosch aber sprang ins Waßer.
Als es dunkel wurde, und die Jungfrau aus ihrer Ohnmacht erwachte, hörte sie, wie der Frosch draußen im Teiche wundersüße Weisen sang; und je näher Mitternacht kam, desto lieblicher sang er, und immer näher und näher kam es heran. Um Mitternacht öffnete sich die Kammerthür, und der Frosch hüpfte auf ihr Bett; er hatte aber ihr Herz gerührt mit seinen süßen Liedern, und sie nahm ihn mit ins Bett und deckte ihn warm zu. Und am andern Morgen, als sie die Augen öffnete, siehe! da war der häßliche Frosch der schönste Königssohn von der Welt; und er dankte ihr herzlich und sagte: »Du hast mich erlöst und bist nun meine Gemahlin!« Da haben sie lange glücklich mit einander gelebt.