87. Die Zwerge bei Dünnenfehr.

Mündlich in Donnern.


Bei Dünnenfehr, zwischen Loxstedt und Bexhövede befinden sich drei Hügel, welche vor alten Zeiten von Zwergen bewohnt wurden. Die trieben allerlei Hantierung, insbesondere verstanden sie das Schmieden aus dem Effeff. Mit den Menschen lebten sie bald in Freundschaft, bald in Feindschaft, wie sich's eben traf, und wenn sie den Bauern zugethan waren, und diese brachten am Abend zerbrochenes Ackergeräth und dergleichen Dinge an die Hügel, so stand am Morgen alles wieder heil an derselben Stelle; wer sie aber erzürnt hatte, den suchten sie auf alle Weise zu necken und zu züchtigen.

Bei jenen Hügeln zieht sich ein Fahrweg durch allerlei Buschwerk, und hier wurde den Fuhrleuten gar häufig die Lünse vor dem Rade weggezogen. Einst fuhr ein kecker Bauerknecht, der dort schon manche Lünse eingebüßt hatte, denselbigen Weg, und um von nun an sicher zu sein, weifte er mit der Peitsche nach rechts und nach links und nach allen Seiten; und siehe! plötzlich wurde ein Zwerg sichtbar, dem er den Hut vom Kopf geschlagen hatte. Der Knecht sprang schnell vom Wagen und nahm den Hut zu sich. Da bat der Zwerg: »Gieb mir den Hut zurück!« Der Knecht erwiderte: »Nicht eher bekommst du ihn wieder, als bis du mir die gestohlenen Lünsen zurückgegeben hast.« Der Zwerg antwortete: »Die Lünsen kann ich dir nicht wiederbringen, die sind längst verschmiedet; wenn du mir aber [243] den Hut zurückgiebst, so sollst du hier auf der Heimkehr eine gute Belohnung vorfinden.« Der Knecht glaubte dem Zwerg und gab ihm den Hut zurück. Als er bald darauf nach Hause fuhr, lag an derselben Stelle ein altes todtes Pferd. »Ist das die Belohnung, schändlicher Zwerg?« schalt der Knecht, »was soll ich damit?« Und er wollte schon weiterfahren, da besann er sich indes, riß mit dem Misthaken ein Stück von der Lende, um es dem Hofhunde mitzunehmen. Als er aber zu Hause den Pferdeschinken vom Wagen nehmen wollte, siehe! da lag statt dessen ein großer Goldklumpen da. Nun fuhr er schnell zurück, um auch das übrige nachzuholen; doch das war verschwunden.


Einst arbeiteten junge Eheleute in der Nähe jener Hügel und legten ihr neugebornes Söhnlein unter einen Busch, der an einem der Berge stand. Da kam ein Zwerg heraus, schleppte das Kind in den Hügel, zog ihm die Kleider aus, zog dieselben einem von seinen Leuten an und brachte diesen an die Stelle, wo der Junge geschlafen hatte. Gegen Abend kamen die Eltern, um ihr Söhnlein zu holen. Daß der Dickkopf ihr Sohn nicht sei, das sahen sie gleich; was wollten sie aber machen? Sie nahmen ihn mit und versorgten ihn aufs beste. Als er indessen nach sieben Jahren noch ebenso klein war wie bei der Geburt, auch weder gehen noch sprechen konnte, so wurde den Eltern bange, und sie wollten das Kind noch einmal taufen laßen, indem sie meinten, es sei vielleicht beim erstenmal etwas versehen. Nun war aber im Dorfe eine kluge Frau, die sagte: »Mit dem Kinde ist es nicht richtig! Gehen kann es, und wenn ihr süßen Hirsebrei auf einen Stuhl stellt und laßt es allein, so wird es schon hinlaufen!« Sie folgten dem Rathe, stellten süßen Hirsebrei hin und schauten von draußen durchs Fenster. Richtig! das Kind lief hin, sobald es sich allein sah, und putzte alles rein aus. »Und sprechen kann es auch«, fuhr die alte Frau fort; »melkt einmal die Ziege in den Pfeifenkopf und buttert in der Zunderdose, so werdet ihr Wunder hören!« Sie thaten es; und als der Zwerg das sah, rief er aus:


[244]

»Ich bin so alt

Als der greise Wald

Und habe solche Streiche nicht gesehen!«

Da sagten die Eltern:

»Bist du so alt

Als der greise Wald,

So bist du unser Kind auch nicht!«


Sie peitschten ihn hierauf so lange, wie sie nur die Hände rühren konnten, und verlangten, er solle ihnen ihr Kind wiederschaffen; er jedoch ließ sich peitschen und gehorchte ihnen nicht. Weil er aber nichts als lose und böse Streiche machte, so sagten die Eltern: »Es hilft alles nichts, wir müßen ihn taufen laßen; etwas wird er dann wohl zahmer werden!« Und der Mann nahm die Kiepe auf den Nacken, setzte den Zwerg hinein und wollte ihn zur Kirche tragen. Als er den Hügel vorbei gieng, schrieen viele Stimmen: »Rossab, wo bist du? Rossab, wo bist du?« Er rief: »Ich soll mich taufen laßen!« Da plötzlich wurde ein solches Geheul und Gekreische um den Mann her, daß er ängstlich die Kiepe wegwarf und nach Hause lief. Am andern Morgen lag ein schöner Junge im Vorschauer; das war ihr Sohn, und der war schon groß und stark; und als die Mutter ihn anfaßte, um ihn ins Haus zu holen, sprach er: »Ach, wie warm sind deine Hände, liebe Mutter!« Und er konnte schon schustern, schneidern und schmieden und wurde ein guter und fleißiger Mensch. Die Kiepe aber hatten die Zwerge mitgenommen.

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TextGrid Repository (2012). Colshorn, Carl und Theodor. Märchen und Sagen. Märchen und Sagen aus Hannover. 87. Die Zwerge bei Dünnenfehr. 87. Die Zwerge bei Dünnenfehr. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-56EA-8