11.
Willen über Natur
Von Christina Margaretha Czepconin und Sigismund Ernsten Schildbachs Geburth
An Herren Gottfried Schildbachen
Gott theilt die Wünsch: Du hoffst die Tochter, ich den Sohn,
Wir tragen keines so und beydes doch davon:
Die Tochter haben dir, den Sohn mir zugedacht,
Sie selbst, so uns verkehrt zu Vätern itzt gemacht:
Nun wohl, der Sohn wird dir, die Tochter mir bescheert:
Gott mischt die Lust u. hat sie dennoch gantz gewährt:
Doch alles ist und bleibt bey Freunden stets gemein,
Die Treu wil gantz und gar nicht unterschieden seyn:
Wolan, was die Natur versagt, laß uns vollziehn,
So krieget seinen Wunsch von uns ein jeder hin:
Gib mir den Sohn, ich wil die Tochter geben dir,
Dem Sohne fehlt ein Weib einmahl, ein Mann auch ihr:
So kriegst die Tochter du, Herr Schildbach, ich den Sohn,
Und ieder trägt das Sein und Ihres Sie davon.
Antwort Herrn Schildbachs
Aus dem Lateinischen
Mein Freund, wie unter uns die Wünsche Gott getheilt,
Lehrst du, es wird im Wunsch ein ieder übereilt:
Ein Theil wird uns versagt, ein Theil wird uns gewährt,
Es kriegt ein ieder doch, was er von Gott begehrt,
Die Tochter lach' ich an, ich nehme sie zu mir,
Und gebe dir den Sohn nicht sonder Wunsch dafür:
Nicht sonder Wunsch woll' es zu seiner Zeit geschehn,
Daß Sohn und Tochter wir vermählet mögen sehn.
Ein ieder hält' und gibt das Sein aus seiner Hand,
Und kriegt am Sohn und an der Tochter zwier sein Pfand.