[6] Ambrosius Scala und Catharina Hermann

6. Mai 1631.


Hochzeitgetichte.


Vmb die schöne Frühlings Zeit,
Alß die grüne Sommerpracht
Gab dem Winter das geleit,
Vnd das Feld nun war erwacht,
Alß die Brunnen klar wie Glaß
Lieffen, gantz vmbhült mit Graß,
Alß ein jeder Blumen laß,
Alß der Schäffer aus dem Stall'
In die Wälder weiden gieng,
Alß es grünet' vberall
Vnd der Knopffe Bäum' empfing,
Kam auch Dorilea gehn
Sich im Grünen vmbzusehn,
Vnd blieb bey sich denckend stehn:
Ob sie in ein grünes Thal
Gienge, da jhr Winterleid
Mit den Blumen ohne Zahl
Zu vergehn in Fröligkeit,
Oder in den kühlen Wald,
Aller Schäffer auffenthalt,
Zu den Quellen mannigfalt.
Doch vor aller Felder Zierd'
Hat der Garte sie ergetzt,
Den selbst Venus auffgeführt,
Vnd auff einen Berg gesetzt,
Der viel schöner Rosen tregt,
Der so frische Quellen hegt,
Vnd viel tausend Frewd' erregt.
Dorile die wolt' hinauff,
Setzt' an jhre Macht vnd Sterck',
Ob sie durch den schnellen Lauff
Möcht' erklimmen diesen Berg,
Aber nein, vmbsonst es war,
Sie fiel rückwerts immerdar,
Biß das sie vermüdet gar.
Lieff das Feld durch hin vnd her,
Suchte da mit allem Fleiß,
Ob nicht wo ein Schäffer wer'
Vnd gewünschte Hülff' erweiß',
Vber Berg' vnd vber Thal
Lieff sie vnd sucht' vberall,
Doch war niemand dazumahl.
Endlich in dem Myrtenstrauch'
Hüttet Lucidor der Schaff',
Allda er nach seinem brauch
Hielte seinen MittagsSchlaff,
Er lag in das Graß gesenckt,
Ward vor Liebe, die jhn krenckt,
Da mit süsser Ruh getrenckt.
Dorile wird deß gewar
Vnd erfrewet sich darab,
Darff jhn doch nicht wecken gar,
Sondern nimbt den Hirtenstab,
Leufft damit den Berg hinan,
Meint zu halten sich daran,
Doch sie nichtes schaffen kan.
Darauff hat sie sich gewandt
Wieder zu dem Lucidor,
Den sie eben Schlaffend fand
In dem Grase nach wie vor,
Nimbt die Flöt' aus seiner Hand,
Dadurch er lengst war bekandt
Hin vnd wieder auff dem Land',
Vnd bläst, daß der nechste Wald
Von der Flöthen hellem Thon
Hoch biß in die Lufft erschallt,
Ob er möcht' erwachen nun,
Doch kehrt er sich nicht daran,
Meint im Schlaff', es sey Gott Pan,
Der sonst lieblich spielen kan.
[7]
Weil nun Dorilea spürt,
Das er nicht erwachen wil,
Wiewol sie Ihn offt gerührt
Durch den Stab vnd durch das Spiel,
Reist sie von jhm mit Gewalt
Seine Kleider dergestalt,
Daß er must' erwachen bald.
Alß nun Lucidor erblickt
Nebenst jhm die Dorile,
Ward er gleichsahm wie entzückt,
Vnd fragt, warumb sie da steh',
Auch warumb sie Ihn geweckt,
Seine Kleider Ihm entdeckt,
Vnnd die Flöth' vnd Stab versteckt.
Sie sprach: Schäffer, laß vns gehn,
Da sich jener Berg so spitzt,
Da die schönen Blumen stehn,
Da die Venus selber sitzt,
Von den Rosen bester Art,
Von den Myrten schön vnd zart
Sey ein Krantz dir vor gespaart.
Auch soltu, mein Lucidor,
Sprach sie, mit mir allezeit
In dem Reyen gehen vor,
Auch (wo du mich bringest heut,
Wo ich wünsch' anjetzt zu sein)
Soltu haben, was allein
Lindert deine LiebesPein.
Lucidor sprach: Dorile,
Ach wie hastu mich erfrewt,
Ach komm eilends, komm, ich geh',
Ich verricht' es warlich heut,
Halte dich nur fest an mir,
Ich wil sein in warheit dir
Eine Leiter für vnd für.
Hiemit kamen sie hinauff,
Venus nam sie willig an,
Alle Nymphen stunden auff,
Die Göttinne gieng voran,
Alß sie sah' Ihr beyder Hertz,
Wie es lauter Liebes Schmertz,
Sprach sie lachend voller schertz:
Weil dich Lucidor gebracht,
Dorile, an diesen Ort,
Gieb Ihm, nur nicht lang bedacht,
Das, was du laut deiner Wort'
Hast gesagt; sie nam den Krantz,
Setzt' ihm auff, vnd gieng zum Tantz,
Biß der Tag verlauffen gantz.
Venus schloß den Garten zu,
Merckte, wie es war gespielt,
Vnd sprach: Geht nur hin zur Ruh,
Weil es nur dahin gezielt,
Geht nur, geht, Ihr liebes Paar,
Helfft euch also immerdar,
Des sey Zeug' ein jedes Jahr!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Dach, Simon. Gedichte. Weltliche Lieder. Hochzeitsgedichte. Ambrosius Scala und Catharina Hermann. Ambrosius Scala und Catharina Hermann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-63A4-1