An Reimar Leo

1649.


Jetzt schlaffen Berg' vnd Felder
Mit Reiff vnd Schnee verdeckt,
Auch haben sich die Wälder
In jhr weiß Kleid versteckt,
Die Ströme stehn geschlossen,
Vnd sind in stiller Ruh,
Die lieblich sonst geflossen
Mit lauffen ab vnd zu.
Die Bäume, die sonst tragen
Schön Obst in grün verkleidt,
Die müssen jetzt beklagen
Des strengen Nordens Neid,
Nichts ist anjetzt zu finden,
Was sonsten vns erfrewt,
Die Lust der Berg' vnd Gründen
Ist jetzund Trawrigkeit.
So lange biß sich reget
Der sanffte Westenwind,
Vmb Berg' vnd Feld sich leget,
Zun Wäldern auch sich findt
Vnd weckt, was sich verkrochen
Hatt' in den tieffen Schnee:
Der Lentz ist angebrochen,
Ein jedes nun auffsteh':
Alß muß die Welt erwachen,
Das Winterkleidt außziehn,
Die Berg' vnd Felder lachen,
Die Hügel werden grün,
Die Wälder sich vernewen,
Ein jedes sich erfrewt,
Wie wann man geht zum Reyen,
Vnd anders sich verkleidt.
[244]
Die Ströme müssen lauffen
In jhren alten Gang,
Der Vögel leichte Hauffen
Stimpt an den Lobgesang,
Die Lerche thut sich schwingen,
Schreyt in die Lufft hinein:
Wir, wir, wir, wir, wir singen
Dir, dir, dir Gott allein.
Jetzt steht das Heer der Sternen
Am Himmel auff der Wacht,
Vnd leuchten vns von fernen,
Vmb das es Mitternacht,
Bald wird mit jhren Straalen
Aurora bey vns seyn,
Der Berge Spitzen mahlen,
Die Sternen führen ein.
Nichts mag gefunden werden,
Was nicht den Wechsel helt,
Bald steht ein Ding auff Erden,
Bald hin es wieder felt,
Vorauß wir die wir schweben
Vmb dieses wüste rund,
Daß dieß sey vnser Leben,
Ist allenthalben kund.
Wir müssen außgetauschet
Eins vmb das ander seyn,
Wie eine Flut hinrauschet,
Die andre schlegt herein,
So bald wir vns verkriechen
Ein jeder in das Grab
Vnd Todes sind verbliechen,
Sind die vns lösen ab.
Das grosse Hauß der Erden
Das nemmen ander' ein,
Die schon gebohren werden,
Dieweil wir hie noch seyn,
Darumb wir offt vns hassen
Vnd krencken ohne Ruh,
Daß muß man andern lassen
Vnd Rückwerts sehen zu.
Der Wechsler aller Sachen,
Der fest hierüber helt,
Hat dieses war zu machen
Bey Euch auch auffgestelt,
Fraw Braut, der Euch ergetzet,
Nach dem er abgeführt,
Der sich mit Euch geletzet
Vnd ewer Hertz gerührt.
Der Leib bloß ohne Sinnen
Ist todt vnd muß vergehn,
Die Regimenter künnen
Nicht ohne Häupt bestehn,
Ohn' jhren König sterben
Die Bienen, ohne Hirt
Die Herde muß verderben,
Ein Hauß auch ohne Wirt.
Drumb jhr die Stell' ersetzet
Recht wol mit einem Mann,
Der Euch in dem ergetzet,
Was Euch mag liegen an,
Doch seyd jhr deß Bescheiden
Sampt allen in gemein:
Vermischtes Leid mit Frewden
Muß jeder Ehstand seyn.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Dach, Simon. Gedichte. Weltliche Lieder. Hochzeitsgedichte. An Reimar Leo. An Reimar Leo. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-65FB-2