Ein Königsspiel

Saß der König Artaxerxes
In dem goldnen Haus zu Susa
Auf dem hohen Purpurthrone:
Im geflochtnen Barte Perlen,
Um die Stirn das Diadema,
In der Hand das goldne Zepter
Und im Herzen Übermut. –
Auf den Polstern vor ihm knieten
Seines Reiches erste Fürsten,
Edle, Feldherrn und Satrapen:
Und er winkte dem Dadanes,
Der der kühnste seiner Krieger,
Und der treu'ste der Satrapen
Und der Feldherrn bester war.
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»Mich gelüstet,« sprach der König,
»Mich gelüstet, o Dadanes,
Deines weißen Edelfalken,
Den du selbst dir abgerichtet,
Der auch Antilopen beizet:
Gibst du, Feldherr, wohl den Vogel
Deinem König zum Geschenk?«
Unbewölkt blieb des Dadanes
Hohe Stirn, da er sich neigte:
»Teuer war mir jener Vogel,
Den ich selbst mir abgerichtet,
Der auch Antilopen beizet:
Aber wenn dich sein gelüstet,
Großer König, ist er dein.«
»Mich gelüstet,« sprach der König,
»Mich gelüstet, o Dadanes,
Deines schwarzen Partherhengstes,
Der nicht scheut die Elefanten,
Den du rittst in sieben Schlachten,
Den dein Vater schon geritten, –
Schenkst dem König du das Roß?«
Leise furchte nur Dadanes
Seine Brau'n, da er sich neigte:
»Teuer war mir jener Rappe,
Den mein Vater schon geritten,
Der in sieben heißen Schlachten
Mich zum Siege trug – für dich –!: –
Großer König – nimm ihn hin!«
»Mich gelüstet,« sprach der König,
»Mich gelüstet, o Dadanes,
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Deiner einz'gen Frau Mandane,
Die du mehr liebst – also sagt man –
Als dein Leben: gib die Schlanke
Mir zu meinen hundert Frauen:
Gönnst dem König du dein Weib?«
Von dem Wirbel bis zur Sohle
Schüttelte der Schmerz Dadanes:
Doch mit fester Stimme sprach er:
»Teurer war mir als mein Auge,
Als mein Leben, meine Seele,
Mein geliebtes Weib Mandane:
Großer König: – sie ist dein!
Nur vergönne, daß in ihren
Gürtel, wann ich dir sie sende,
Ich ein breites Messer berge.«
»Wie! den König zu ermorden?«
»Nein: sich selber, wenn sie etwa
Doch es nicht ertragen könnte,
Eines Andern Weib zu sein.«
»Mich gelüstete, Dadanes,
Tapfrer Feldherr,« sprach der König,
»Zu erproben deine Treue:
Nur ein Spielchen mit dir spielt' ich:
Gut bestandest du die Probe:
Wähle nun zum Lohn und wünsche,
Was dein Herz begehren mag.
Sei's ein Scheffel voll Rubinen,
Seien's Pfauen oder Weiber,
Sei's Ägypten oder Baktris, –
Alles will ich dir gewähren:
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Schwör' es dir bei meinem Barte.«
Mächtig atmend sprach Dadanes:
»So vernimm denn meinen Wunsch!
Meine Treue noch zu prüfen,
Solch' ein Spiel mit mir zu spielen,
War nicht nötig, Artaxerxes!
Und so wünsch' ich nicht Rubinen,
Auch nicht Pfauen oder Weiber,
Auch Ägypten nicht noch Baktris,
Sondern nur – gedenk des Schwurs,
Den du schworst bei deinem Barte,
Alles wollt'st du mir gewähren –
Sondern nur: mit meinem Weibe
Meine Tage zu beschließen
– Zu Athen lebt mir ein Gastfreund –
In dem Land der freien Griechen,
Ferne von der Kön'ge Dank.«

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TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Balladen. Erstes Buch. Ein Königsspiel. Ein Königsspiel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-685C-1