Des Sultans Tochter

»O Fatime, was verzehret dich, was welken deine Wangen?
Alles was dein Herz begehret, kann dein leiser Wink erlangen.
Willst du Schmuck und Goldgeschmeide – so befiehl und unsre Flotten
Holen Purpur dir und Seide, Perlen dir aus feuchten Grotten.
Willst du Tanz und bunten Reigen – die Moriskos brennen alle,
Der Gebieterin zu zeigen ihre Kunst bei Zimbelschalle.
Willst du Blumen – sieh dein Garten windet schattig sich dahin
Und die schlanken Palmen warten längst schon ihrer Königin.
Oder hat die süße Flamme dir das junge Herz entzündet?
Freie Wahl aus jedem Stamme hat dein Vater dir verkündet:
Ist's der dunkle Held Abdallah, ist's der glühende Hussein?
Sprich es aus – denn groß ist Allah, ihre Herzen all' sind dein!« –
– »Ach, Zuleika, mein Geschmeide hat verloren seinen Schimmer,
Und Fatimens Augenweide – Perlen sind's und Seide nimmer!
Zimbeln nicht und Kastagnetten sollen die Moriskos schlagen –
Wenn sie Trauerflöten hätten, möchte mir das Spiel behagen!
Nicht Abdallah mir im Herzen, nicht Hussein, der tapfre, steht:
Machtlos ist in meinen Schmerzen Allah selbst und sein Prophet! –
In der Waffenruhe zogen gegen Bagdad tausend Gäste,
Helme blitzten, Banner flogen, Kränze schmückten die Paläste.
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Und ich stand auf der Altane, leise gingen Abendlüfte,
Und Jasmin blüht' und Banane und die Rose hauchte Düfte –
Da, aus hoher Zedern Mitten, – o wie ist mein Herz erschrocken! –
Kam ein Jüngling ernst geschritten, schön, in lichten, langen Locken.
Träumerisch zum Abendsterne schlug er auf die blauen Augen,
Als ob er den Himmel gerne wollt' in seine Seele saugen. –
Halb geworfen, halb entglitten fiel mein Strauß mir aus dem Schleier,
Rosen waren's, frisch geschnitten, Rosen von dem Tigrisweiher.
Ihm zu Füßen sonder Irren fiel der Strauß in weißen Sand,
Er sah auf und schlug mit Klirren auf die Brust die rechte Hand;
Auf die Brust die Rechte schlug er – ach, da ward es mir bewußt:
Einen weißen Mantel trug er, rot bekreuzt die linke Brust!
In des weißen Mantels Linnen schlug er fest die Eisenglieder,
Wandte sich und schritt von hinnen, – und ich sah ihn niemals wieder.

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TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Balladen. Erstes Buch. Des Sultans Tochter. Des Sultans Tochter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-6928-D