[342] Die Schlacht von Sempach

Sie zogen aus, ein stolzes Heer, die Bauern zu zertreten:
Ein Schallen ging vor ihnen her mit Hörnern und Trompeten:
Wohl hundertsiebzig Fehdebrief' sind auf uns eingeflossen:
Ein Schrecken durch die Lande lief: »Weh euch, ihr Eidgenossen.«
Die Ritterschaft von Österreich, Friaul, Tirol und Schwaben,
Viel mächt'ge Grafen, stolz und reich, viel übermüt'ge Knaben, –
Sie rühmten sich, ihr Banner hie auf jeden Berg zu pflanzen:
Ein Meer von Helmen brachten sie und einen Wald von Lanzen.
Uns bot nur Einer Hilfe dar, als alle Freund' uns irrten:
Der Gott, der David gnädig war, der alte Gott der Hirten:
Der blies mit seinem Hauch uns an, der hat's uns eingegeben:
»Viel lieber fallen Mann für Mann, als in der Knechtschaft leben.«
Bei Sempach in dem Seegefild stand hell im Strahl der Sonne
Mit Pfauenhelm und Adlerschild der Ritter Stolz und Wonne:
Das war von Östreich Leopold: – der Haß selbst muß ihn preisen: –
Sein Helm, sein Herz, sein Harnisch Gold, sein Langschwert kärntisch Eisen.
Er warf empor sein breit Panier und stolz rief er vor allen:
»Mit dieser Fahne will ich hier heut' siegen oder fallen.«
Der Ritter Horn ruft laut vor Lust, wie sich die Lanzen färben:
Und jeder Stoß in Bauernbrust und jeder Stoß zum Sterben.
Wir wichen nicht, doch Leib an Leib sank wie geschnittne Garben:
Sie dachten noch an Kind und Weib und seufzten, wie sie starben.
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Da war's Herr Arnold Winkelried: – Gott lohnt ihm jetzt im Himmel: –
Der sterbend auseinander schied der Speere dicht Gewimmel.
Und in die Lücke, wo er fiel, sprang kühn vorauf uns allen
Herr Ammann Sigetrost von Biel, – den preist das Land mit Schallen:
Der schlug mit seinem Zimmerbeil den Truchseß Waldburg nieder
Und hinter ihm drang unser Keil zermalmend in die Glieder.
Jetzt half kein Harnisch mehr den Herrn, kein Helm blieb ungebrochen,
Schwer schlug die Axt, der Morgenstern durch Eisen und durch Knochen,
Dem flinksten Ritter frommt da nicht sein Fechten und Turnieren:
Das war ein Mordkampf eng und dicht, kein lustig Buhurdieren.
Bis er sein langes Schwert gezückt, stak ihm im Leib das Messer,
Nah war ihm unser Haß gerückt: – je näher, desto besser.
Und mancher sank, noch unverletzt, konnt' nimmer sich erraffen,
Bis elend ihn erstickt zuletzt der Stolz der eignen Waffen.
Da Markgraf rechts! Da Wildgraf links! Da Rauhgraf in der Mitten!
So mordend immer weiter ging's: – wir hatten Bauernsitten.
Jetzt freut euch, Mädchen von Luzern, von Schwyz und Unterwalden:
Da liegen schmucke reiche Herrn tot auf den blut'gen Halden.
Heut' hat der Tod hier ausgestellt die hellste Augenweide:
Gelb Gold und Seide deckt das Feld der armen Schweizerheide:
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Wir bringen's euch in Händen nicht, nein, scheffelvoll nach Hause:
Hei Helmbusch bunt, hei Spange licht, hei Kette, Kron' und Krause!
Und mancher floh, vor Schrecken bleich, der lustig zog zur Fehde:
Doch Leopold von Österreich stand treu zu seiner Rede:
»Mit meinem Banner fall' ich hier!« so rief er unerschrocken:
Aus offnem Helm floß ihm die Zier der langen Fürstenlocken.
Es fällt sein Roß, sein Goldschild bricht, die Panzerringe klaffen,
Er aber läßt vom Stolze nicht und nicht von seinen Waffen:
Sein Schwert traf tödlich Zug um Zug, sein Trotz war nicht zu bannen,
Bis krachend er zusammenschlug gleich einer Edeltannen.
Und über ihn fiel sein Panier: – da war der Tag zu Ende
Und Gott im Himmel dankten wir und hoben fromm die Hände:
Denn er nur bot uns Hilfe dar, als alle Freund' uns irrten,
Der Gott, der David gnädig war, der alte Gott der Hirten!

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TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Balladen. Zweites Buch. Die Schlacht von Sempach. Die Schlacht von Sempach. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-69C4-F