[386] Die drei Schwestern

Im Schloß zu Montfort bangen Schwestern drei,
Ob König Richard noch am Leben sei.
Oft sprach er zu: – gleich schön die Fräulein waren
In schwarzen, braunen und in goldnen Haaren.
Man wußte nicht, für welche schlug sein Herz:
»Er weiß es selbst nicht!« neckte Blondels Scherz.
Doch jede liebet ihn, den Wundervollen;
Er nahm das Kreuz: – seitdem ist er verschollen.
Die Schwestern harr'n. – Da tritt nach Tag und Jahr
In ihre Kemenat ein Pilgerpaar:
Der lange Bart, der Muschelhut beweisen,
Der Jordanstab der Pilger fromme Reisen.
»Euch edeln Fräulein künden wir nun Leid:
Gebunden liegt der Stolz der Christenheit:
In Trifels Burg, in schweren Eisenspangen,
Fürs Leben liegt der Löwenherz gefangen!«
Da strich die erste, Gräfin Eleanor,
Die stolzen schwarzen Brau'n gemach empor:
»Ich schwankte lang, wen der Rivalen wählen: –
Nun werd' ich Frankreichs König mich vermählen.«
In Tränen sprach die zweite, Gräfin Maud:
»Und ist der edle Mann lebendig tot,
Will ich mein langes braunes Haar verschneiden
Und bis ich sterbe mich als Nonne kleiden.«
Die jüngste Schwester aber sprach kein Wort: –
Stumm stand sie auf: zur Tür schritt sie so fort:
Da sank sie fast: der Herzschlag blieb ihr stocken:
Gen Himmel schüttelt sie die gelben Locken.
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Der größre Pilger sprach: »Wo wollt Ihr hin?«
»Zu ihm! Zu ihm!« – »Wie, was kömmt Euch zu Sinn?«
»Ich lieb' ihn und ich will so lange flehen,
Bis Eines von zwei Dingen ist geschehen:
Die Freiheit ihm: – wenn nicht –: mir selbst der Tod!«
Da küßt der Pilger ihr die Lippen rot:
»Gut war dein Rat, Freund Blondel, kluger Sänger!
Du herrlich Kind, nein, zweifle mir nicht länger.
Gefangen war ich: – doch nun bin ich frei,
Auf daß ich ewig dir zu eigen sei.
Dein Herz ist, wie dein Haar, von lautrem Golde:
Ich liebe dich, du süß' Geschöpf, Isolde!«

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TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Balladen. Zweites Buch. Die drei Schwestern. Die drei Schwestern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-6A30-2