König Alfred

»In harter Not liegt Engelland!
Es sind mit tausend Kähnen
Die gottverhaßten Dänen
Gelandet an des Humber Strand:
[377]
Durch Yorkshire wütet Mord und Brand,
Und wo ist König Alfreds Hand,
Zu trocknen unsre Tränen?
Er fiel, er fiel der teure Held
Von einem scharfen Speere!
So bringt's die blut'ge Märe!
Kein Retter steht uns mehr im Feld:
So räumt denn diese Inselwelt,
Die Hengst und Horsas Asche hält,
Und suchet neue Meere!«
So schallt's im Gaugericht zu Kent
Bei Grafen und bei Thanen,
Zu rascher Flucht zu mahnen.
Da ist kein Mund, der Hilfe nennt:
Schon ist der Schöffen Kreis getrennt,
Schon senken sich – des Dinges End' –
Vom Lindenbaum die Fahnen.
Da trat hervor ein Harfner alt:
Er stand am Stamm der Linde,
Es flog sein Haar im Winde:
Vom Kriegermantel braun umwallt
Stolz reckte sich die Erzgestalt,
In seinem Schild' ein breiter Spalt,
Sein Haupt verbarg die Binde.
»Gemach, ihr lieben Herr'n zumal,
Ich will euch nicht betören,
Nicht euren Ratschluß stören:
Doch komm' ich frisch von blut'ger Wal: –
Sprecht, wollt ihr nicht zum letztenmal
Von eurem Herrn, der dort befahl,
Von König Alfred hören?«
[378]
»Von König Alfred!« – ruft die Schar –
Und alles bleibt, zu lauschen
Und feuchten Blick zu tauschen, –
»Weißt du von seinem Ende gar?
O, sing' von ihm, wie groß er war!«
Da blitzt des Harfners Auge klar,
Und seine Saiten rauschen:
»O Wodenswood, du arges Feld,
Fluch sei mit deinen Eichen!
Da ward von Dänenstreichen
Manch' alter Sachsenschild zerspellt!
Und, kühn zum Fußkampf erst gestellt,
Nach seinem Hengst rief mancher Held,
In Flucht hindann zu weichen.
Das dünkte König Alfred schlecht:
Er jagte hin und wieder
Durch alle Reiterglieder,
Und rief: ›Ein Sachse, treu und echt,
Harrt aus im Tod, ob Than, ob Knecht!‹ –
Und sprang herab zum Fußgefecht
Und stach sein Streitroß nieder.
Und nahm von York das Sturmpanier,
Der Bauern Kampfgenosse,
Und trug's in die Geschosse.
Da schlug ein Beil ihm ins Visier,
Schlug ihm vom Helm die Kronenzier, –
Schlug ihm ins Haupt, zum Tode schier,
Und über ihm die Rosse! –
Lang lag er so, die Nacht war kalt –
Da weckten ihn mit Kratzen
Des Leichenwolfes Tatzen –
Er schlug – das Untier wich alsbald –:
[379]
Da dacht' er, wie des Feinds Gewalt
Nun wird sein Land vieltausendfalt
Verwüsten, heeren, schatzen.
Das brannte mehr als Wundenschmerz!
Er hätt' sich gern gewendet,
Verzweifelt und geendet:
Doch lauter sprach sein Königsherz:
›Du bist des Landes Schild von Erz,
Und sinkt dein Hoffen niederwärts,
Ist Engelland geschändet.‹
Schwer stand er auf, schwer war sein Schritt:
Da, unter tausend Toten,
Sein Kronhelm lag zerschroten:
Er ließ ihn, wie's sein Herz zerschnitt,
Es ist das Volk die Krone nit: –
Doch seinen Schild, den nahm er mit,
Die Ehre hat's geboten.«
»So lebt er noch? – ich bitte dich« –
– So scholl's aus jedem Munde –
»Woher ward dir die Kunde?
Ist das sein Schild? Wer bist du? Sprich!« –
Da warf der Harfner hinter sich
Die Hüllen und voll-königlich
Durchflog sein Blick die Runde.
»Ja, das ist eures Königs Schild,
Und ich« – da hob von allen
Ein Rufen sich und Schallen –:
»Und du, du teures Heldenbild,
Bist König Alfred stark und mild,
Auf! führ' uns an ins Schlachtgefild: –
Die Dänen sollen fallen!«
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Da sprach der Fürst: »Die Treu' ist echt,
Die nimmer will verzagen.
Des will ich Dank euch sagen:
Du Volk von Kent: das sei dein Recht,
Daß von Geschlechte zu Geschlecht
Du sollst in jeglichem Gefecht
Das Banner Englands tragen.«

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TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Balladen. Zweites Buch. König Alfred. König Alfred. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-6A6E-B