[14] Das Heilige Feuer

Der Himmel blau von einem rauschenden Blau, ein schwellender Akkord. Eine Wiese, wie grünes dunkles Glas, ein gestautes Grün.

Ein Altar in der Mitte, graublauer Stein, rund. Eine Flamme golddünn wie eine Kerze, mit steilem Rauch. Kühle Ruhe.

Im Grunde ein Laubberg, olivschwarz Zypressen, dahinter eine Wolkenlawine, dicht getürmt in gelbweißem Schaum. Oben das Abendlicht rostrot über die Baumwülste. Zwei Zypressen abseits, die Spitzen rote Stifte. Am Rand der Wiese dehnt sich der Rauch in weichen Hängen.

Frauen, in mohnroten Laken eine, – andere in wasserdünnen Schleiern, bis zur Hüfte eine in Schwarz und Gold, alle in Abständen. Die Arme gehoben ziehen um das Feuer. Im Kreis. Ihr Gesang müde, rot wie das Abendlicht, dehnt sich mit dem Rauch und hinaus in die Ebene bis zum hyazinthenblauen Horizont.

Nur oben Licht, und Pochen und rote Wärme, über den Bäumen, am Himmel, in der Wolke.

Aber unten eine Leere und Verlassenheit, ein gläsernes Schweigen. Das Laubgrün moderig wie Kirchenluft und filzig geballt.

Ein Block die Wolke, weiß zwischen der Laubspalte und darüber strotzend wie blasses Fleisch mit kernigen Muskeln.

Die Frauen immer im wandelnden Kreise um das Feuer. Die Leiber braun, und Gesichter braun, alle auf Zehenspitzen in balancierendem Schritt, getragen von ihren Stimmen.

Und das satanische Rot, dies fressende, knirschende braune Rostrot an den Baumwipfeln stockt, das Grün versteinert in Andacht, die Wiese platt, stumm, wie ein gefrorener grüner See.

Im Gehen schaukeln die Gewänder, die Schleiersäume knistern über den Halmen und Amulette klingeln.

Aber immer lautlos das Feuer, eine goldene Spirale zur Höhe in die Stille gebohrt.

Leise Flamme ohne Licht. Alle Gestalten schattenlos. [15] Lichtlos und schattenlos, in lauer Fläche der Gesang.

Der Rauch röchelt. Die Stimmen schwingen reine graue Linien in flachen Wellen. Das Grün der Wiese, die Baumwand, das Rostrot, durch alles schleicht und summt der gemurmelte Sang. Der Sang schwimmt hinaus in die Ebene. Fern blüht eine veilchenrosige Nacht auf.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Dauthendey, Max. Gedichte. Ultra Violett. Einsame Poesien. Das Heilige Feuer. Das Heilige Feuer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7224-C