Die Welle

Pfauengrüne Gluten in der Luft. Über dem Meere Heliotropdüfte. Kochender Atem stockt. Die Wasser stauen sich. In der brünstigen zyanenblauen Dämmerung eine Frau, mit feuchtem Leib aufgestiegen, ein zauderndes Neigen und Schwingen in ihrem Körper, es wogt noch flüssig jedes Glied.

Unter ihr die Wasser glattmilchig, mit Lachen weinrot wie große, offene Wunden.

Ein Pfauenhimmel und Leuchtrauch von Smaragd und Lapislazuli und ein Funkenkitzeln und fliehende Irisschiller um diesen Leib.

Fern am Himmel, im Wasser, rast ein Licht, weiß, elektrisch, und blauweißer Schaum berstet am Ufer. Im hochgesträubten Schaum kauert eine andere, blau und rotgolden der Wasserqualm, über ihren Rücken rieselt grünblauer Muschelglimmer.

Und die Wasser wie silberrandige flachrunde Flossen schieben sich ans Ufer. Überall dieser Heliotropdunst und Weinrauch.

In allem das sich windende Weib, das zum Lande sehnt, das die roten Lachen halten, und aus der Meerestiefe eine herrische Goldglut.

Sie ringt sich höher. Sie biegt den Leib vor. Sie reckt das Kinn. Nur mit den Zehen noch über den roten geöffneten Lachen, sie wankt, tastet – das Ufer! zum Ufer – o, das Ufer!

Sie liegen an ihr und flüstern und hauchen und seufzen, all diese goldrot, goldblauen Farben ihres Leibes.

Ein schluchzender Jubel in ihrem Auge und ein vibrierendes scheublaues Sehnen.

Aber die roten Lachen halten sie, und der mondgoldene Schein aus der Tiefe hält sie. Der Goldschein[17] greift an ihren Hüften hoch, greift um die Brüste, um die Schenkel und um den Arm bis zur warmen Armhöhle.

Es zieht sie zurück. Sie wehrt, sie steift sich. –

Der Goldschein faßt höher. Ihr Haarstrom bis zur Hüfte, rot und grün in Perlen, die Goldlichter ritzen das Haar hinauf und an die Wangenknochen und an die Linien des Kinns.

Nur, – o – zum Ufer, Erde!

Das Sehnen spitzt sich, ein metallscharfes Leuchten drängt aus den Poren. Grüne Phosphorblässe auf Stirn, Wangen, um den Leib. Flehende zitternde Farben recken sich höher. Aber der Goldschein der Tiefe bezwingt sie alle. Die stumme qualvolle rote Lache zu ihren Füßen öffnet sich und saugt sie zurück. – Nur einen sehnenden Augenblick lebte die Welle.

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TextGrid Repository (2012). Dauthendey, Max. Gedichte. Ultra Violett. Einsame Poesien. Die Welle. Die Welle. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7639-F