[462] Der »Emden« Nachruf

Wie oft sind wir im Osten hier erwacht,
Und jeder hat dann rasch bei sich gedacht:
Wo kämpft die »Emden« diesen Augenblick,
Und welches wird das Ende, das Geschick
Der Deutschen, die auf jenes Kriegsschiffs Planken
Eng Kameraden wurden den Gedanken?
Wir hörten nah des fernen Schiffes Rauschen.
Ein jeder Mann wollt' mit den Männern tauschen,
Die dort als Wache standen auf dem Deck,
Stumm aufmerksam vom Bug bis an das Heck.
Wir lebten dicht am Bord die Taten mit.
Jed' Herz fuhr auf der »Emden« hin und stritt.
Wie flog uns heilig heißes Feuer an,
Kam Kunde, was ein Schifflein wirken kann.
Als sie zum erstenmal fünf Boote nahm,
Die »Emden« leuchtend in die Brust uns kam.
Noch nachts der »Emden« Lichter uns umglühten.
Des Deutschen Wunsch war: Herr, wollst sie behüten!
Damit begann der Abenteuer Reigen.
Von da wir alle auf die »Emden« steigen.
Wir folgen ihr im dunkeln Weiterziehn
Wie Sonne, die auf blinden Nebel schien.
Bald hören wir in grauer Ferne Kampf,
Kanonenschüsse hinterm Nebeldampf.
Welch' Mut doch diese tolle »Emden« hat!
Erst schießt das kleine Schiff auf eine Stadt,
Dann dringt's verkappt in einen Hafen ein.
Die Herzen weiten sich, die vorher klein.
Man hört berauscht, wie unerhört sie handelt,
Die »Emden« wird zum Geisterschiff verwandelt.
Denn eh' die Feinde zur Besinnung kamen,
Schoß sie ein russisch Panzerschiff zusammen.
Sie wird zum großen Grauen, kämpft und raucht
Gleich wie ein Spuk, aus Hirnen aufgetaucht.
[463]
Verfolgt, bohrt sie die Schiffe in den Grund,
Sie wird zum Wunder bald in aller Mund.
Sie nimmt sich nach dem Kampf auch noch die Zeit,
Setzt Boote aus und rettet hilfsbereit
Die, deren Schiff zur Tiefe hingerollt.
Der Feind bald selbst Bewunderung ihr zollt.
Man spricht von ihrer Mannschaft wie von Rittern.
Nur um ihr Ende aller Herzen zittern.
Nun sind es lange, stumme, stille Wochen.
Die Stunden kommen einförmig gekrochen.
Denn nun ist's tot hier draußen auf dem Meer.
Der »Emden« Wrack kreist auf dem Meergrund leer.
Die Geister kehrten heim aus hoher Luft,
Die immer noch den Namen »Emden« ruft.
Man sagt, sie ist im braven Kampf verbrannt.
Man sagt, sie hat sich selbst aufs Riff gerannt.
Man sagt, man sagt, und nichts sagt jedes Wort.
In deutschen Herzen lebt die »Emden« fort.
In uns kämpft sie noch immer ohn' Ermatten,
Erst mit uns stirbt der kleinen »Emden« Schatten.

(Brastagi, 11. Dezember 1914)

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Dauthendey, Max. Gedichte. Des großen Krieges Not. Kriegsgedichte und Lieder der Trennung. Kriegsgedichte. Der »Emden« Nachruf. Der »Emden« Nachruf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-76E5-D