Venus Anadyomene

Das ist die alte Stimme wieder,
aus langen Träumen jung erwacht.
Sie sang die allerersten Lieder,
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trunken und schüchtern. Sie singt und lacht:
Über dem grünen Roggenmeere
wiegte die Glut zwei Pfauenaugen.
Blühend roch die brütende Leere.
Tief im grünen Roggenmeere
lag ein Knabe mit blauen Augen.
Das war, als du noch Fehle hattest,
noch alte Furcht und fremde Scham,
als du noch keine Seele hattest,
die nur aus Deinem Blut dir kam.
Aber du sahst die Falter leuchten,
mit flackernden Flügeln bunt sich greifen;
träumte dir von zwei dunkelfeuchten
Augen, und die sahst du leuchten
unter bunten, flatternden Schleifen.
Das war die Zeit des Schaums der Säfte,
die Ähren stäubten gelben Seim;
vieltausendjährige Sehnsuchtskräfte
erregten schwellend einen Keim.
Ahntest unterm andern Kleide
andre nackte Glieder klopfen.
Deine Hände flackerten beide.
In die einsam heiße Haide
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quoll ein erster Samentropfen.
Das tat die Sehnsucht dieser Erde,
die opfernd um die Sonne schweift.
Sie sprach das allererste Werde.
Auf! Die Sprache der Mannheit reift.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Habe Dank, du dunkle Geisterstimme!
Ja, du hilfst mir meine Not begreifen.
Auf! ich fühl's, wie trüb ich glimme;
laß uns nach Erleuchtung schweifen!
Mühsam von Enttäuschung zu Enttäuschung
hab ich mich hierher gewunden,
um in eisiger Verkeuschung
starr zum Gleichmut zu gesunden.
O! noch Einmal war mir aufgegangen
zweier Augen lockende Hoffnungsmacht:
[37]
eines Sommerglückes Prangen
mitten in der Winternacht.
Als mein Herz am allerinnigsten bebte
– Wundertäterin, hoffst du noch?
schloß ich's ein in dies verspinnewebte
kahle Vorstadtkellerloch.
Wie's mich anhöhnt! Hinter mir, ihr Geister,
schnarcht die Mitwelt meiner Zelle:
mein schwerhöriger Schustermeister,
und sein närrischer Altgeselle.
Wochendurch hat dieser ledige
Fleischfeind christlich mich zerrauft,
Schmachtriemsweisheit mir gepredigt;
Tolstoi hab ich ihn getauft.
Nacht für Nacht versucht von Träumen
dehn'ich mich auf meinem harten Lager,
immer zuchtloser mich bäumend,
immer gieriger, immer magrer.
Wie mich hungert! Wie die roten
Freudenfenster drüben blinken:
Blut, von dem die scheinbar toten
Geister meines Innern trinken.
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Trinkt! Beleuchtet mir die Pfade,
die wir trunken einst geirrt,
daß mir endlich, endlich doch die Gnade
glutgeläuterter Erkenntnis wird!
Steig empor, du übersehr verschönte
Jünglingslust mit deiner üppigen Zierde!
Ja, ich hör mich, wie ich nach dir stöhnte,
ferne Göttin meiner ersten Begierde,

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TextGrid Repository (2012). Dehmel, Richard Fedor Leopold. Gedichte. Die Verwandlungen der Venus. Rhapsodie: Die Verwandlungen der Venus. Venus Anadyomene. Venus Anadyomene. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/