[69] Theresia die Gattinn

Huldrich der Barde.


Sie kehren, Freund! doch Einer bleibt;
Er sieht in Huldrichs Herz, und sieht
Ein ihm gefällig werdend Lied.
Brich aus, o Lied! Er bleibt!
Schön glänzt er her aus blauer Luft.
Im Weste strömt sein Friedenskleid
Noch weißer, als der jüngste Schnee.
Brich aus, o Lied! Brich aus!
Du tönest seiner Gattinn Lob.
Wer liebte seine Gattinn so?
Wen liebte seine Gattinn so?
Brich aus, o Lied! Er horcht!
Im Erbe Teut's, im hohen Wien,
Da wuchs des Herrschers Tochter auf;
Doch wie des Herrschers Tochter war,
Das singt gewiß kein Lied.
[70]
Und nähm' ich Barde, was der Lenz
Von Farben auf die Fluren haucht,
Das Morgenroth und Abendroth,
Des Regenbogens Glanz!
Und jeden lauten Reiz des Tag's,
Und jeden stillen Reiz der Nacht,
Der Sterne Blick, der Blumen Duft,
Der schlanksten Tanne Wuchs;
Der Quellen Lispel und den Laut
Der menschenholden Nachtigall;
Schön wäre dieses Bild; allein
Noch nicht Theresia.
Und wie der Leib, so war Ihr Geist,
Und wie der Geist, so war Ihr Glück.
Sie sollte vieler Völker Frau
Nach Ihrem Vater seyn.
Von Ihrem Werthe sprach der Ruf
In Süd und Ost, und Nord und West.
Ihn hörte junges Fürstenblut,
Und wallte lüstern auf.
[71]
Und jedes Auge sah nach Wien,
Und jeder Seufzer flog nach Wien,
Und jeder Wunsch im Stillen war
Der Fürstentochter Hand.
Da kam ein Jüngling, dessen Blut
Aus eben jener Quelle war,
Aus der der Tochter Habsburgs Blut
Seit grauen Altern floß. 1
So sah ich Huldrich keinen noch,
Wie dieser junge Führer war.
Er zog einher dem Hirschen gleich,
Dem höchsten auf der Flur.
Auf seinen Wangen blühte Lenz,
In Rabenlocken fiel sein Haar,
Und was sein schmachtend Auge sprach,
Das singt kein Sänger aus.
Vor seinem Geiste stiegen ihm
[72]
Nicht selten Siegesfelder auf;
An seiner hellen Spitze saß
Der Mondenträger Tod. 2
Er kam und sah Theresien
In Ihrer Väter Hallen, sah,
Ward wund, empfand auch sich gesehn,
Und fing der Fürstinn Herz.
Der hohe Vater schloß den Bund,
Und segnete das schönste Paar;
Da schauerten die Thürme Wiens
Von Hochzeitfreuden auf. 3
Da ward es, wie nach Dämm'rungen,
Im ganzen Oesterreiche licht;
Da rauschten Donau, Moldau, Theiß,
Laut in den Brautgesang.
Der große Tag, der sie verband,
[73]
Der kehrte neun und zwanzigmal,
Und beiden war die ganze Zeit
Ein heitrer Frühlingstag.
Der Gatte war Theresien
West, Sonne, Quelle, Blumenfeld,
Der Schätze Schatz, der Reiche Reich,
Und – Alles war er Ihr!
Und wie den ersten Augenblick,
Da Sie ihm ward, das Herz Ihr schlug,
So schlug Ihr noch für ihn das Herz
Den letzten Augenblick. 4
Nein, Augenblick, dich sing' ich nicht!
Des Tages Freuden sind zu groß.
Du machtest zwar Walhalla froh;
Doch uns betrübtest du.
Wir sah'n der treu'sten Gattinn Weh.
Was konnten wir? Wir flehten Ihr,
[74]
Aus Liebe für Ihr treues Volk
Zu leben; und Sie that's.
Doch öfter eilet Sie dorthin,
Wo's unter Herrschergräbern kühlt,
Wo ihres Gatten irdisch Theil
Mit ihren Vätern ruht. 5
Dort pfleget Sie der Wehmuth Lust,
Und rufet Franzens himmlisch Bild,
Und Ihres Bundes goldne Zeit
Vor Ihren Geist zurück.
Auch wenn im Monden jener Tag,
Der Ihre Seite blößte, kehrt,
Dann steht Ihr Erbstuhl leer. Sie weicht
In stiller Hallen Nacht. 6
Dann senket sich des Gatten Geist,
[75]
So, wie er jetzt dem Liede lauscht,
In Ihrer stillen Hallen Nacht
Herab, und spricht mit Ihr.
Er spricht von ew'gem Wiederseh'n,
Von himmlischen Umarmungen,
Vom Lohne jeder guten That,
Von frommer Herrscher Lust.
Bald spricht er auch von Deutschlands Wohl,
Von Josephs Größe, von der Zahl
Der Enkel, die noch einst das Glück
Der Folgezeiten wird.
Sprich nur von Einem nicht so bald,
Geist, der du mich hier singen hörst!
Du weißt, wie fest der Völker Herz
An Ihrer Fürstinn hängt.
Und sang ich, deines Horchens werth,
Von deiner Gattinn, o so schwing'
Dich nun zur Wolkenburg empor;
Den Vätern Habsburgs nach!

Fußnoten

1 Das Haus Lothringen und Habsburg stammt gemeinschaftlich von den Grafen von Elsaß ab.

2 Die Türken. Sie wurden 1738 von ihm bei Cornea geschlagen.

3 1736 den 12. Februar.

4 1765 den 18. August.

5 In die kaiserliche Gruft bei den Kapuzinern.

6 Den achtzehnten Tag jedes Monats weihte sie in Einsamkeit dem Andenken ihres verstorbenen Gemahls.

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TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Theresia die Gattinn. Theresia die Gattinn. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7E19-4