[172] An einen Bardenfreund 1
Weit wohnt Sined von euch. Manches Gebirg erhebt
Uns zu trennen sein Haupt mächtig, und mancher Fluß
Rauscht entzwischen, o Wälder,
Die mein kindlicher Fuß betrat!
In den Tagen des Herbst's, wenn sich der Abend bräunt.
Irr' ich einsam den Hain, irr' ich die Fluren durch,
Dann zeucht meine Gedanken
Euer freundliches Bild an sich.
Ja, dann seyd ihr vor mir, Wälder mit seufzenden
Tannen! bist du vor mir, sprudelnder Erlenbach!
Und ihr Teiche voll Schilfes,
Von dem kühlenden West' umrauscht!
Wo mein Leben begann, wo sich Allvater mir
Im Gestirne der Nacht, in der geblümten Flur
Offenbarte, der Frühling
Meiner Tage mir heiter floß.
[173]
Wo mich, wenn mich ein Spiel unter die dämmernden
Eichenschatten berief, heiligen Schauer hub,
Daß den bebenden Händen
Plötzlich jeglicher Tand entfiel,
Von den Lippen ein Laut strömte, dem Liede gleich,
Das im Busche des Herbst's furchtsam ein Wipfelkind,
Jüngst vom Neste geflogen,
Mit noch stammelnder Kehle wagt.
O dann wird es in mir still, wie der Abend ist,
Wenn sein mildes Gesicht keine der Wolken trübt,
Wälder schweigen, aus Westen
Noch die scheidende Sonne blickt.
Nur der sanftere Wunsch, freundliche Gegenden,
Wo mein Leben begann! immer um euch zu seyn,
Bis mein Leben verhauchet,
Der nur lispelt im Herzen noch.
Aber, lispelnder Wunsch! wärest du mehr als Wunsch,
Niemal hätte mein Aug' Sie, die Gebieterin,
Sie die Mutter der Menschen,
Sie, das Wunder der Zeit gesehn;
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Niemal hätte mein Ohr Worte der Huld von ihr
Freudetrunken gehört, niemal mein Harfenspiel
Ihrem Lobe gestimmet
Ruhm im Erbe von Teut erjauchzt.
Niemal wäre mein Blick ihrem erhabenen
Ersterzeugten gefolgt, wann er in Tausende
Muth verbreitet, mich hätte
Joseph's Barden kein Mund genannt.
Niemal hätt' ich auch dich, Diener Theresien's,
Joseph's Diener! geseh'n, niemal dein Herz gekannt,
Mann der Treue, des Rathes,
Bardengönner und Menschenfreund!
Sohn der Moldau! dein Herz gleichet der Sommernacht,
Wenn der schweigende Mond über bethauete
Segenreiche Gefilde
Voll und dunstlos hernieder hängt.
Lang umfloß mich sein Licht; aber nun leuchtet es
Fernen Hügeln, seitdem unsrer Beherrscherinn
[175]Muttersorge dich deinem
Dunkel wär' es um mich, klänge dem Ohre nicht
Deine Stimme noch jetzt, trüg' ich im Herzen nicht
Unaustilgbar gezeichnet
Dein erhellendes Angesicht.
Freund von Sined! Es beut Titan uns Licht, der Baum
Schatten, Labung der Quell, Düfte der Blüthenstrauch,
Und ein Barde den Ausbruch
Seines Herzen, ein feurig Lied.
Nimm es, was dir den Herbst Sined im Haine sang,
Der, indem sich dein Bild lebhaft vor ihm entwarf,
Selbst der freundlichen Gegend,
Wo sein Leben begann, vergaß.