2.

»Es darf nicht sein.« Verhängnisvolle Worte –
Da war ich mit dem krummgeschlagnen Hammer
[76]
Auf einmal von des Paradieses Pforte
Zurückgesunken in des Lebens Jammer!
Was ich gehört, sind's alberne Geschichten?
So sagt' ich zu mir selbst in stiller Kammer;
War's Uebertreibung, Prahlerei? Mit nichten!
Ich hörte Wahrheit, kenne meinen Gast,
Und will auf keine Möglichkeit verzichten.
Behutsam vorwärts; thöricht war die Hast,
Mit der ich fragte; endlich werd' ich's wissen,
Was er verbergen will – ihn drückt die Last,
Ich aber weiche nie vor Hindernissen.
Und als ich so an dies und jenes dachte,
Da hat die Phantasie mich fortgerissen,
Daß ich die schale Gegenwart belachte,
Und mich erging in Träumen, immer wildern,
Und altes Holz zu kühner Glut entfachte.
Paris mit seinen tausend Gaukelbildern,
Des Lebens Freuden, Reichtum, Glanz und Ehre,
Gedankenblitze, Wünsche, nicht zu schildern,
Das stieg empor und trotzte jeder Lehre
Und jeder Trübsal der Vergangenheit;
Die düstre Regel: »Kämpfe und entbehre!«
Vergessen war sie, und mein Herz befreit
Von Aengsten und von drohenden Gewittern.
O schnöde Welt, jetzt siehst du mich bereit,
Dir Trotz zu bieten; mögen andre zittern
Vor jenem Götzen, den sie Mammon nennen,
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Ich schlage mich zu seinen besten Rittern.
Am Silberharnisch könnt ihr mich erkennen;
Reich bin ich, reich – und diese Wahrheit soll
Als Neid fortan auf eurer Seele brennen;
In feiles Lächeln wandle sich der Groll,
Den kalte Lippen mir so gern gespendet,
Wenn ich, ein Sohn der Zukunft, ahnungsvoll
Im Jugendrausche jenen Schatz verschwendet,
Den keiner aus dem Busen mir gegraben,
Seht her, der Bettler hat sein Werk vollendet!
Fliegt jetzt herbei, ihr nimmersatten Raben,
Der Träumer kann sein Glück mit Händen greifen;
Ihr mögt von ferne eure Blicke laben
An Früchten, die mir in der Sonne reifen!
Stolz, wie Columbus einst am Steuer stand,
So nahm auch ich den schmalen Purpurstreifen
Am Horizonte für geschenktes Land;
Doch war die Fieberhitze bald verflogen,
Und als ich meine Ruhe wiederfand,
Da dacht' ich: Oft genug ward ich betrogen;
Als weiser Mann verkauf' ich nicht die Haut,
Bevor ich sie dem Bären abgezogen,
Erst nach dem Indianer umgeschaut,
Der Ueberredung Pfeile abgeschossen,
Und meine Schlösser langsam aufgebaut.
Und als ich das erwogen und beschlossen,
Ist mit Besuchen mir, mit stets erneuten,
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Vergebens eine lange Zeit verflossen.
Mein brauner Nachbar ließ sich nicht bedeuten;
Stumm blieb er, trotz des Diplomaten Kunst,
Daß meine Schritte mich zuletzt gereuten.
Nun schien mir das Geheimnis bloßer Dunst,
Die goldne Brücke plötzlich abgebrochen,
Und so, verzichtend auf des Schicksals Gunst,
Verlebt' ich unbefriedigt Tage, Wochen. –
Da kam der Wilde ungerufen wieder;
Ich hört' ihn einst an meine Thüre pochen;
Nacht war's, in Strömen fiel der Regen nieder,
Daß mir die Störung unbequem geschienen,
Und ich, ihm aufzuschließen, meine Glieder
Nur mürrisch regte. Mit verstörten Mienen
Und trüben Blickes kaum hereingeschwankt,
Sprach er: »O möchtest du mir heute dienen!
Mein Weib, mein armes Weib ist schwer erkrankt;
Du rettest sie, – dort stehn so viele Flaschen, –
Geh mit, es sei dir tausendmal gedankt.«
Hier galt's, das Glück im Fluge zu erhaschen,
Nicht, weil ich dieses oder jenes trieb,
Von meinem Nimbus jetzt mich rein zu waschen.
Ein solcher Anlaß war mir doppelt lieb,
Und keine Fakultät wird mich bestrafen,
Wenn der Gerufne nicht zu Hause blieb.
Wir ritten schweigsam durch die Nacht und trafen
Des Indianers Gattin in Gefahr,
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Doch war sie bald getröstet eingeschlafen,
Nachdem ich, was nicht meines Amtes war,
Gethan, nach bestem Wissen und Ermessen.
Am nächsten Morgen aber, sonderbar!
Ist sie genesen fast, verlangt zu essen,
Ruft uns herbei, gesprächig und vergnügt,
Und spricht: »Die Rettung werd' ich nie vergessen!«
Ich stammelte: »Das hat sich so gefügt – –«
Doch sie, mich unterbrechend: »Ich gehöre
Zu jenen nicht, die solche Rede trügt.
Daß heute niemand meinen Willen störe –
Noch bin ich schwach – und soll ich ganz gesunden,
Dann«, ihres Mannes Hand ergreifend, »schwöre
Zu handeln, wie ich es für gut befunden.
O Freund, ich weiß es, du gehorchst nicht gerne;
Doch sei dein langes Sträuben überwunden.
Der mich gerettet, sieh, er kommt von ferne;
Nun will ich, daß er dankbar von uns scheide,
Und daß er uns zu lieben nie verlerne.
Auch jetzt zu zaudern, thu' mir's nicht zuleide.
Die Silbermine liegt ihm stark im Sinne;
Drum sattelt eure Pferde, reitet beide
Fort ins Gebirge, daß er gleich beginne
Zu sehn, was seine Wünsche stillen kann,
Und bald den wohlverdienten Lohn gewinne.
Was er mit ein'gen Maultiertruppen dann
Hinwegführt, um es seewärts zu geleiten,
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Wird ihm gewiß genügen, lieber Mann!
Für uns sind solche Schätze Kleinigkeiten;
Denn unerschöpflich ist die Grube. – Sorgen
Wird uns der Freund, der Nachbar nicht bereiten;
Wir bleiben frei von Not – er ist geborgen.«
Und was geschehen mußte, das geschah.
Des Gatten Antwort war: »So sei es morgen.«
Es klang nicht freudig, ach; das ging mir nah;
Doch wenn ich auch mit eignem Unbehagen
Des Mannes Seelenfolter fühlte, sah,
Ich konnte meinem Glücke nicht entsagen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Dranmor, (Schmid, Ludwig Ferdinand). Gedichte. Gedichte. Wanderbuch. 13. Aus Peru. 2. [»Es darf nicht sein.« Verhängnisvolle Worte –]. 2. [»Es darf nicht sein.« Verhängnisvolle Worte –]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-8293-F