[119] Uber das Absterben Herrn Burgermeister Wettsteins zu Basel
So hast Du auch den Lauff vollbracht,
Berühmtes Haubt! so sinckst Du nider.
Und schließst die müden Augenlider,
Die lang für deine Stadt gewacht!
Dich hat ein spätes End entrissen:
Doch wer Dir an Verdiensten gleicht,
Und hätt er Tausend Jahr erreicht,
Den muß man stets zu zeitlich missen.
Wie, daß ihr jede Last der Welt,
Ihr Dichter, zu vergöttern suchet,
Und Dohrheitsvoll dem Tode fluchet,
So oft er einen Menschen fällt!
Nun, nun ermuntert Kunst und Dichten!
Nun heischts ein würdig Trauerfest;
Was schnödes Heücheln oft erpreßt,
Das fordern jetzund Treü und Pflichten.
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Doch was soll eüer schwacher Tohn
Um unsers Haubtes Gruft erschallen?
Wer weinet nicht, daß er gefallen?
Ein grosses Volk beträhnt Ihn schon.
Helvetiens vereintes Klagen
Wird seinen wolverdienten Preis
Mehr, als der grösten Dichter Fleiß,
Bis auf die späte Nachwelt tragen.
Umsonst! daß man in Schrift und Buch
Sich nach der Ewigkeit bestrebet.
Wenn ein verhaßter Name lebet,
So lebt er doch in stetem Fluch.
Vergebens! daß in manchem Lande
Man dem Tyrannen Tempel setzt.
Was werden solche denn zuletzt?
Ein dauernd Merkmahl seiner Schande.
Ihr, denen wahrer Ruhm gefällt,
O folget unsers Haubtes Tugend,
Und widmet eüch von erster Jugend
Dem Wol des Standes und der Welt!
Da müßt ihr seyn, was Er gewesen;
Der Wittwen Arm, der Waisen Schutz!
Da sey kein Stolz, noch Eigennutz
Aus eürer Tahten Zweck zu lesen!
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Dann wird aus ganzer Völker Mund
Eüch ein gerechtes Lob ertöhnen.
Die Muter macht es ihren Söhnen,
Und ein Geschlecht dem andern kund.
Was Tausend Schriften nicht gewähren,
Das ist der Tugend Eigentum.
Sie baut sich selbsten ihren Ruhm,
Und zwingt die Welt, sie zu verehren.
So wurd auch jener Wettstein groß,
Der Schutz der Freyheit vieler Staten:
Von dem ein Trieb nach gleichen Tahten
In seines Enckels Adern floß.
So ist zuletzt nach Sturm und Kriegen
Die weltbelobte Heldenschaar,
Die einst Helvetien gebahr,
Zum Ehrentempel aufgestiegen.
Wolan! Du hast das schöne Ziel,
Hochseliger! nun auch erstrebet.
O daß der Fall, der Dich erhebet,
Uns nur nicht unerträglich fiel!
Wie seltsam spielet das Geschicke!
Dein Haus, der Stand, der Freünde Zahl,
Die weinen nun das erste mal,
Verklärter! über deinem Glücke.
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Umsonst! Du ruffst uns selbsten zu:
Ihr Werten! die mein Abschied rühret,
Ich habe meinen Lauff vollführet,
Drum gönnt mir einst die späte Ruh!
Seyd mit der Schickung Schluß zufrieden!
Wer ihr zu folgen sich bestrebt,
Der danket, daß ich lang gelebt;
Und murret nicht, daß ich verschieden.