Die Gaben

Nie fand, so oft auch scherzend ward gefragt,
Ich einen Mann, vom Grafen bis zum Schneider,
Der so bescheiden oder so betagt,
So hülflos, keinen so Gescheiten leider,
Der nicht gemeint, des Herrschertumes Bürde
Sei seinen Schultern grad das rechte Maß.
War einer zweifelnd je an seiner Würde,
So schätzt' er seine Kräfte desto baß,
Der hoffte auf der Rede Zauberbann;
Schlau aus dem Winkel wollte jener zielen,
Kurz, daß er wisse wie und auch den Mann,
Ließ jeder deutlich durch die Blume spielen.
Ihr Toren! glaubt ihr denn daß Gott im Zorne
Die Großen schuf, ungleich der Menschenschar,
Pecus inane, das sein Haupt zum Borne
Hinstreckt wie weiland Nebukadnezar?
Daß, weil zuweilen unter Zotten schlägt
Ein Herz wo große Elemente schlafen,
Deshalb wer eine feine Wolle trägt
Unfehlbar zählt zu den Merinoschafen?
Daß langes Schauen zweifellos erblinde,
Und wer den Fäden rastlos nachgespürt,
Daß dieser, gleich dem überreizten Kinde,
So dümmer wird je länger er studiert?
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Wer zweifelt, daß ein Herz wie's Throne schmückt
Gar oft am Acker frönt und Forstgehege,
Daß manche Scheitel sich zur Furche bückt,
Hochwert daß eine Krone drauf man lege?
Doch ihr des Lebens abgehetzte Alten,
Ihr innerliche Greise, seid es nicht.
Bewahr' der Himmel uns vor eurem Walten,
Vor dem im Sumpfe angebrannten Licht!
Ihr würdet mahnen an des Fröners Sohn,
Der, woll' ihm Gott ein Königreich verschreiben,
Fürs Leben wüßte keinen bessern Lohn,
Als seine Schweine dann zu Roß zu treiben. –

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TextGrid Repository (2012). Droste-Hülshoff, Annette von. Gedichte. Gedichte (Die Ausgabe von 1844). Zeitbilder. Die Gaben. Die Gaben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-84EA-3