XIV.
Von Riesen.

Die Erzählungen von Riesen, welche an unterschiedlichen Orten in der H. Schrift vorkommen, erlauben nicht an ihrem wirklichen Daseyn zu zweifeln; ob man gleich gewissen Nachrichten hievon, die man bey unterschiedlichen Schriftstellern findet, und welche der Pater Calmet in einer seiner Streitschriften über die H. Schrift sorgfältig und häufig gesammelt hat, ohne sich einige Gewalt anzuthun, nicht leicht Glauben beymessen kan. Man findet daselbst Körper von einer erstaunlichen Grösse, die man in Griechenland, Sicilien, Egypten, Afrika, in Deutschland und auch sogar in Frankreich entdecket hat: und ausser dem Philenates, den der Pater Calmet sehr häufig anführet, stehen die mehresten Schriftsteller, hauptsächlich die alten, mit welchen er seine Nachrichten bestätiget, in zuverläßigen Ansehen.


[21] Unter den neuern Entdeckungen hat wohl nicht leicht eine mehreres Aufsehen verursachet, noch eine strengere Untersuchung ausgestanden, als die, welche im Jahr 1613. im Delphinat auf den Gütern des Herrn von Langeon geschahe.


Einige Maurer, die an einer Sandgrube arbeiteten, fanden achtzehen Fuß tief in der Erde ein Grab, welches dreysig Fuß lang, zwölf Fuß breit und acht Fuß tief war. Aussen herum waren die Worte Theutobochus Rex zu lesen, worunter, wie man glaubte, der Teuto, König der Teutoner und Cimbrier, welche Marius überwunden hatte, zu verstehen war. Die Gebeine des Todtengerippes, welches darinnen begraben lag, hiengen noch unmittelbar zusammen, und waren fünf und zwanzig und einen halben Fuß lang, um die Schultern herum zehen Fuß breit und fünf Fuß tief; der Kopf hatte fünf Fuß in der Länge, und zehen in der Runde, und die Augenhöhlen fünf Zoll in der Runde. Dieser Zufall, welcher anfänglich blos eine Belustigung der Neugierigen war, wurde bald darauf ein Gegenstand eines ernsthaften Streites, ja so gar eines hitzigen Krieges in den anatomischen und medicinischen hohen Schulen der Facultät zu Paris: HerrRioland ein Arzt und Herr Habicot ein Wundarzt, legten ihre Gelehrsamkeit bey dieser Gelegenheit [22] am Tage. Habicot suchte die Wahrheit der Entdeckung zu behaupten, und Rioland wollte erweisen, daß die Sache nichts als ein Betrug wäre. Aber Rioland zog den Kürzern, und man konnte es nicht dazu bringen, daß die Gebeine des Theutobochus für Knochen von einem Wallfisch oder für ausgegrabene Knochen sollten gehalten werden, welches die gewöhnliche Art ist, womit man dergleichen Beweise zu widerlegen suchet. Der H. Augustinus erzählet gleichfals, daß er an dem Ufer des Meers einen Menschen-Zahn gesehen habe, der hundertmal so groß als einer der unsrigen war.


Mem. de Trevoux. Janv. 1723. p. 25.


Man findet in einem von Smirna den 15. April 1727. ausgestellten Schreiben, welches im Monat Julius eben dieses Jahres in den Mercure de France eingerucket wurde, einen noch ausserordentlicheren Umstand.


Man fande vor einiger Zeit in einem Dorfe in Macedonien Namens Calubella sechs Meilen weit von Salonich gelegen, das Grab eines Riesen, welcher unter einer alten Mauer begraben lag, welche, weil sie der Regen nach und nach aushöhlte, endlich einstürzte. Man bekam durch diesen Einsturz eines der grösten Wunder von der Welt in Ansehung der ganz übernatürlichen Grösse zu sehen; [23] welches die Trümmer und Gebeine, die der Herr Quenet, der dazumal sich als königlicher Consul in dieser Stadt befande, davon aufbehielte, um solche nach Frankreich zu schicken, sattsam erweisen. Ich will diejenigen, die ich gesehen habe, und von denen sich einige noch zu Smirna befinden, zuverläßig beschreiben.


Ein Zahn, welcher noch in einem Theil des Kinnbackens stecket, wieget sechs Oquien oder achtzehen französische Pfund.


Die Hirnschale, welche man ganz gefunden hat, die aber nachhero zerbrochen wurde, faßte sechs Garben Korn in sich, deren eine jede vier und achtzig Oquien woge, welches mehr als funfzehen Garben, eine jede zu hundert Pfund gerechnet, ausmachet.


Ein anderer Zahn aus dem untern Kinnbacken ist einen Pan oder zehen Zoll breit, und wieget eine Oguie oder drey Pfund. Ein dritter Zahn wieget 350. und noch ein anderer 360. Dragmen.


Das lezte Glied des kleinen Fingers ist fast einen Pan oder neun bis zehen Zoll lang.


Ein Knochen von dem Arm ist vier Pans oder ohngefähr drey und einen halben Fuß lang.


[24] Rach der gemachten Rechnung und nach dem Maas des Raums, den dieses Todtengerippe ausfüllete, glaubt man, daß dieser ungeheuere Körper siebenzig Pans hoch war, welches ein und zwanzig Stäbe, den Stab zu acht Pannen und einen jeden Pan zu zehen Zoll gerechnet, ausmachet.


Der Herr Consul ließ über diese Entdeckung ein Protokoll in bester Form aufsetzen, welches von unterschiedlichen glaubwürdigen Zeugen und vielen Zuschauern unterschrieben war.


Mercure de France, Juillet 1727. p. 1576.

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TextGrid Repository (2012). Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine. Werk. Medicinische Anecdoten. Medicinische Anekdoten. 14. Von Riesen. 14. Von Riesen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-86F6-6