[37] XXI.
Der berühmte Cardanus empfande eine ungestümme Heftigkeit des Gemüths, wenn er keine Schmerzen fühlte, und war genöthiget, sich selbst Schmerzen zu verursachen.
Gewisse Leute betrachten den Schmerzen, das physische Uebel, als das einige Uebel, über welches wir uns mit Recht gegen die Natur zu beschweren Ursache hätten; aber Cardanus, dieser berühmte Astrolog und Arzt, dachte ganz anderst. Er schreibt, daß er die Krankheiten der Gesundheit vorzöge, und daß er, wenn er gar keinen Schmerzen spüre, eine solche ungestümme und verdrüßliche Heftigkeit des Gemüths empfände, daß er, solche zu vertreiben, sich lieber wehe thäte, indem er sich bald in die Lippen bisse, bald die Finger verdrehe und auflöse, ja sich bisweilen so gar die Haut aufsteche, und eine der Musceln des linken Arms mit solcher Heftigkeit drücke, daß ihm die Thränen davon in die Augen kämen. Fuit mihi mos, sagt er, ut causas doloris, si non haberem, quaererem. Unde plerumque causis morbificis obviam ibam. Ludwig XI. muß wohl ganz anderst als Cardanus gedacht haben: Seissel und Mathieu erzählen, daß, da er eines Tages eine [38] Rede ablegen hörte, welche ausdrücklich für ihn verabfasset und an den H. Eutropius gerichtet war, in welcher man ihm die Seele und den Leib empfohle, man auf seinem Befehl das Wort Seele weglassen muste, indeme es, wie er sagte, genug seye, wenn ihm der Heilige die Gesundheit des Leibes erhielte, und man nicht so viele Sachen auf einmal von ihm verlangen müste. Jacob Coitier, der erste Leibarzt dieses Fürsten, bekam von ihm monatlich zehen tausend Thaler Gehalt; eine nach der damaligen Zeit ganz unermeßliche Summe, die aber, wenn man sie mit der unmäßigen Begierde des Königes zu leben, und mit der noch unbedachtsamern Versicherung, welche ihm dieser verwegene und unwissende Arzt gabe, daß er ihm zu einem recht langen Leben verhelfen wolle, in Vergleichung setzet, so gar sehr übertrieben nicht mehr scheinen wird.