[50] Sechstes Buch
[51][53]Zephise hatte Geist, ein männlichs Herz zu rühren,
Ein Aug, das Unschuld lügt, und Blicke, die verführen.
Sie herrschte, wenn sie wollte; ihr Kummer oder Scherz
War einer ihrer Pfeile, und einer traf das Herz.
Sie nahm, Cytheren gleich, den Liebling, den sie wollte,
Und richtete den Pfeil, den Amor schießen sollte.
Schnell liebte sie, und heftig; ein Funken, den sie fing,
Griff um sich, wurde Feuer, schlug Flammen, und verging.
Der Kampf erhitzte sie, der Streit maß ihr Vergnügen;
Dieß wuchs durch Wiederstand, und starb gleich nach den Siegen.
Dann liebte sie wahrhaftig, wenn sie mit Eifer rang;
Und ließ die Herzen bluten, die ihre Kunst bezwang.
So folgt die Waldgöttinn der Lust zu neuen Siegen,
Und läßt den ersten Raub in seinem Blute liegen.
[53]So bald sie siegen wollte, war auch kein Widerstand,
Kein Hinderniß zu mächtig, das sie nicht überwand.
Die Liebe, und der Stolz, dem sie zu schmeicheln suchte,
Riß sie in Laster hin, die sie hernach verfluchte.
Die Freundschaft, ihr Versprechen, Gelübde am Altar,
Die Pflicht und ihre Tugend gerieth dann in Gefahr.
So eilig liebte sie, und ward der Liebe müde;
Wie oftmals klagte mirs der zärtliche Seide!
Wie oft bat er mit Thränen die Göttinn beym Altar,
Als gegen seine Flammen Zephise kälter war:
Soll eine Sterbliche mit deinen Ketten spielen,
Und dir, o Göttinn, gleich, verwunden, und nicht fühlen?
Umsonst nahm ich im Tempel das Herz der Schönen an,
Das du mir geben konntest, und sie mir nehmen kann;
Umsonst verbindet uns die feyerlichste Stunde;
Leichtsinnig reißet sie den Pfeil aus ihrer Wunde,
Wirft von den schönen Händen die Fessel wieder ab,
Und nimmt ein Herz zurücke, das deine Macht mir gab!
O rette deinen Ruhm, gewähr sie meinen Thränen,
Und wirf noch einen Pfeil ins Herz der kalten Schönen.
Schon damals wand sie sich vom zärtlichen Verlangen
Seidens oftmals los, und war mir nachgegangen,
Ich hätt es sehen müssen, daß sie mich lieb gewann:
Doch, hatt ich nicht Themiren? wie dacht ich wohl daran!
[54]Zu neidisch, von der Zeit der Liebe zu verliehren,
War, was ich dacht, und sah, und redte, vonThemiren.
Sie lieben, ihr gefallen war meiner Wünsche Ziel,
Und alle Neubegierde, ob ich nur ihr gefiel!
Wie wenig dacht ich es, daß sie den Schatz mir raubte,
Sie, die ich viel zu groß für solch ein Laster glaubte!
Zwar nach der Flucht Themirens, wie oft verrieth sie sich!
Doch da riß Schmerz mich nieder, und Wuth betäubte mich.
Der Streich, der, wie ein Blitz, mich ohne Warnung rührte,
Traf sichrer, und verbarg den Mörder, der ihn führte.
Wie künstlich war die Thräne, die ihre Wange trug,
Und die der Freude Hohn sprach, wovon ihr Herz doch schlug!
Wie schön vergiftete, wie sinnreich mich zu quälen,
Ihr künstlicher Verdacht, das Innre meiner Seelen!
Ihr Trost riß in Verzweiflung, ihr Mitleid zeugte Schmerz,
Und wenn sie mich beweinte, durchbohrte sie mein Herz.
Ich, den die Eifersucht von allem überzeugte,
Verschlang den stillen Gift, den mir Zephise reichte,
Beleidigte Seiden, und hielt die letzte Treu,
Durch sie verführt für Laster, und für Verrätherey;
Ich Unvorsichtiger, beschuldigte Themire
Der niederträchtigsten Entweihung heilger Schwüre.
So war ich hintergangen, als ich den Schluß ergriff,
Den Räuber zu verfolgen, und Erd, und Meer durchlief.
[55]Ich sprach zu ihr; Zephis', ich werde dich verlassen, –
Mein Herz, zu voll von Qual, kann sie nicht länger fassen,
Ich hasse dieses Leben unstät, und voll Verdacht –
Die Tage sind mir schrecklich, so schrecklich, wie die Nacht –
Cythere raubt mir Lieb, und gießt an ihrer Stelle
Nicht Ruh in meine Brust, nein, Flammen aus der Hölle. –
Ich will die Falsche suchen, und ihr Verbrechen sehn,
Mich rächen; oder endlich in Wellen untergehn.
Vergiß nur deinen Freund – so wahr an allen Enden
Der Erden Zevs regiert, er stirbt von meinen Händen!
So sprach ich voll von Grimme, und wußt nicht, was ich sprach,
Und auf Zephisens Wangen goß sich ein Thränenbach:
Erschrocken stand sie da, schwieg, warf die Augen nieder:
Und seufzt – ich sah sie an, und faßte mich nun wieder:
Ehrwürdig war der Kummer – ich stand, und wurde roth,
Und ehrete die Thräne, die Mäßigung geboth.
So herrschet Jupiter durch einen Blick von Oben
Den Stürmen Stille zu, wenn sie zur Unzeit toben;
In eines Westes Athem erstirbt der Ungestüm,
Das Meer fällt wieder eben, und schauert unter ihm.
Zephise wiederrieth, den Schluß so früh zu fassen;
Sie bat, sie flehete, sie wollte mich nicht lassen,
Sie weinte; ihre Liebe, die nun den Zwang durchbrach,
Goß sich in allen Blicken und Worten aus, und sprach.
[56]Doch alles, was sie sprach, indem wir endlich schieden,
Schrieb ich der Freundschaft zu, und Liebe zu Seiden.
Und in dem Augenblicke, da ich sie wiederfand,
War ich zu sehr zerstreuet, als daß ich sie verstand.
Es hatte Phöbe kaum zweymal von ihren Höhen
Ihr volles Silberlicht im Ocean gesehen,
Als ihr leichtsinnig Auge schon wieder überwand,
Und ihrer Ehrbegierde ein neues Opfer fand.
Jetzt, da ich wieder kam, gieng ihre alte Liebe
In neuen Flammen auf, und dämpfte diese Triebe.
Ein Cyprier, Alcindor, (so hat er mir erzählt),
Ward auch von ihr verfolget, vergessen, und gequält.
Zephise, niemals müd, ein Unheil anzustiften,
War jetzo emsiger, mich stärker zu vergiften;
Themire, die entflohen, und die ich nirgend fand,
Bewaffnete von neuem die schöne Mörderhand,
Zuerst in meiner Brust den Argwohn fest zu gründen,
Mich zu beruhigen, und dann zu überwinden.
Ihr Herz kannt nicht die Zähre, die auf der Wange hing,
Gab nicht den tiefen Seufzer, der durch die Lippen ging.
Woher dann nahm sie doch, entheiligte Cythere,
Wenn sie Seiden nannt, den Seufzer und die Zähre?
O! darf denn die Verstellung, sich unsers Falls zu freun,
So heilge Waffen nehmen, und die Natur entleihn!
[57]Oft sagte sie zu mir: dahin ist unser Glücke,
Und keine Stund, o Freund, kehrt aus der Nacht zurücke!
Wo ist jetzo Seide? welch ein verschwiegner Hain;
Nimmt wohl in seine Schatten die Ungetreuen ein –
Hier hat er, hier im Busch, oft neben mir gesessen –
Nun ist der Busch verwelkt, und seine Braut vergessen!
In einem andern Himmel, an einer andern Brust,
In andern Büschen ruht er, berauscht in süßer Lust!
O! ungetreuer Freund, hier seufzt noch deine Schwüre
Des Baumes Dryas nach! – Themire, ach Themire!
Wie liebten wir einander! konntst du so untreu seyn,
Zween Freunde zu verrathen? – das konntest du nicht, nein!
Seid erschmeichelte das Laster, das geschahe,
Seide, den ich oft mit Thränen kälter sahe.
Der Hain vernahm die Klagen, die ich hier still vergoß,
Und Cypris sah die Thräne, die mir vom Auge floß.
Wie oftmals wünscht ich es, die Untreu nicht zu sehen;
Doch viel zu kalt war er, mich still zu hintergehen;
Zu kalt, für meine Liebe, wenn er Themiren pries,
Den Dolch mir zu verbergen, womit er mich durchstieß.
Ich hielt die Furcht geheim, die mancher Tag erregte,
Und Zweifel, die er mir zu ungern widerlegte;
Verbarg vor meinen Augen den sichtbaren Betrug,
Und hatt, ihn zu erforschen, nicht Herz, und Stärke gnug:
[58]Genug, ergoß sich schon die Lieb, und das Entzücken,
Wenn er Themiren sah, aus Minen und aus Blicken –
Was sollt ich ihn erforschen? sein redendes Gesicht
Verbarg mir sein Geheimniß, und mein Verhängniß nicht.
Wie oftmals riß er sich, die Schöne zu begleiten,
Der ich ein Opfer ward, auf eins von meiner Seiten!
So heiß war seine Liebe, so frey, so offenbar –
Die Flucht hat uns gewiesen, daß sie nicht kälter war!
Themir, ach! ließ dich uns die Zeit unschuldig sehen,
Mit Thränen wollt ich dich gern um Vergebung flehen!
Und wäre nur dein Fehler die Flucht, die Flucht allein,
Wie gern würd diesen Fehler, wie gern Aedon verzeihn! –
Doch welch ein Gott vereint die Herzen, die sich schieden?
Wer mit Themiren dich, mich wieder mit Seiden?
Gebirge stehn in Mittel, ein Meer rauscht zwischen her,
Und trennet uns – und Laster noch weiter, als das Meer.
So unterhielt sie mich, und zog mich durch die Schatten
Durch alle Gegenden, die wir besuchet hatten.
Freund, sprach sie, diese Buche, und dieser kühle Bach,
Rauscht ehmals unsre Liebe, nun unsre Seufzer nach!
Unnütze Seufzer, ach! und leer vergoßne Zähren,
Um Falsche, die mit Recht von uns vergessen wären! –
Wir kamen in die Thäler – Freund, kennst du dieses Thal,
Und diese Rosenbüsche, die oft dein Geiz bestahl?
[59]Am Morgen pflagst du hier der blühenden Themiren
Mit Blumen voller Thau den Busen auszuzieren.
Wie sprang sie dir entgegen, und lohnte deine Müh,
Und nahm von dir die Blumen voll Dank, und küßte sie!
Dann lächelte sie dir, und ließ sich gern umfangen,
Und ein entzückend Roth ergoß sich in die Wangen –
Wer hat in andern Thälern jetzt dieß misgönnte Glück?
Wer reicht ihr nun die Blumen, und nimmt den Lohn zurück –
So gab sie mir den Gift; ich trank mit starken Zügen
Den Argwohn tiefer ein, und trank ihn mit Vergnügen.
Stets sprach sie von Themiren, und stieß, indem sie sich
Sie loszusprechen stellte, den schärfsten Dolch in mich.
Am besten war ich selbst das Werkzeug, mich zu quälen;
Ich sprach von meiner Fahrt, und mußte sie erzählen;
Mein Kummer suchte Luftung. Ein volles Herz ist froh,
Sich einmal zu ergießen, und meins ergoß sich so.