Elegischer Humor

Lange sind wir nicht gesessen
Lange nicht beim kühlen Wein,
Habens ganz und gar vergessen,
Ausgelassen lustig sein.
Eilet drum zur alten Schenke!
Lasset Alles gehn und stehn,
Zum berauschenden Getränke
Raset ihr Vortrefflichen!
Reinigt eure Sünderseelen,
Heilet euer krank Gemüth,
Waschet eure trocknen Kehlen,
Für ein überschwänglich Lied!
In die Schenke, in die Schenke!
Freunde, seid ihr alle da?
Wenn ich alter Zeit gedenke,
Tönt mein Herz Halleluja!
[166]
Wandle mit bedächtgem Schritte,
Wer sich selber nie vergißt!
Ueberflüssig ist die Sitte,
Wenn das Herz betrunken ist.
Umgekehrt von euerm Spasse
Schalle dieses frohe Haus,
Wie der Strahl aus vollem Fasse
Sprudle euer Witz heraus!
Lachen, daß erdröhnt die Halle,
Daß mich schüttelt Rippenweh,
Muß ich laut, wenn ich so Alle,
Brüder euch beisammen seh.
Achtung Allem, was zu achten!
Aber lachen muß ich – als
Götter im Olympus lachten,
Lachten sie aus vollem Hals.
Hör ich solchen Lärm verführen
Lauter so vernünftge Leut,
Soll mich gleich der Donner rühren,
Sterb ich nicht aus purer Freud!
Holla, wackere Gesellen,
Schlagt Gesang an, Hollahoh!
Wenn die Töne hoch anschwellen,
Fühlt sich Jeder lebensfroh.
Sagt mir an, gelehrte Häupter,
Du, o Dummkopf, sag mir an,
Steh mir Rede, Wohlbeleibter,
Sprich du lendenarmer Mann,
[167]
Gebt, ihr edlen Trinker alle,
Gebt mir Antwort, wie und wann
Kommt der biedre Mensch zu Falle,
Und warum, das sagt mir an!
Wie aus einem Mund genommen,
Hör ich das Orakel, dann
Wird der Mensch zu Falle kommen,
Wenn er nicht mehr trinken kann!
Dann auch, wenn mit ihm – o wische
Freund die Augen, daß er sinkt –
Niemand mehr an einem Tische
Und aus einem Glase trinkt!
Einst in glücklicheren Tagen,
Derer Geist für immer schwand,
Kannte man nur wenig Plagen
In dem frohen Griechenland.
Damals war es wo die Besten,
Kehrend aus der Männerschlacht,
Sich zu heitern Becherfesten
Trafen in der Frühlingsnacht.
Dort geschmückt mit grünen Kränzen
Tranken Jüngling, Mann und Greis,
Und dem Weisesten kredenzen,
Dünkete der Schönsten Preis;
Schon der Athem hauchte freier
Dort, in der geschmeidgen Luft,
In den goldnen Klang der Leier
Stieg der Hyazinthenduft.
[168]
Damals floh der Geist der Jugend
Mit den Jahren nicht davon,
Jugend aber nur hat Tugend,
Denn sie dürftet nicht nach Lohn.
Heut, in unsern schwiergen Tagen,
Heut vertrocknet frühe ganz
Unterm Wüstenwind der Plagen
Das bestürmte Herz des Manns.
Freunde, diese Zeiten waren.
Solchen Frohsinn aber mag,
Wie den klaren wunderbaren
Himmel, nur der Sommertag,
Solchen Frohsinn mag bewahren
Menschenbrust nur dann und da,
Wo man noch in Silberhaaren
Ewiger Natur ist nah.
Fort jetzt mit den Grübeleien!
Wir auch dünken uns nicht schlecht,
Wir auch wissen uns zu freuen,
Und der Lebende hat Recht.
Also sprach der große Schiller,
Fällt mir grad der Schiller ein;
Jetzt komm Einer her, was will er?
Jetzt kein Wort mehr! Hier ist Wein!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Gedichte. Leben und Liebe. Traum und Bild. Elegischer Humor. Elegischer Humor. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9D6D-1