[51] Die Keule des Ariovist

Nun höret, wie geschehen
Der Tod des Ariovist,
Den Niemand hat gesehen
Und doch passiret ist.
Es ritt in stillem Zoren
Der Held, gemächlich faul,
Ohn' Sattel, Zaum und Sporen
Auf seinem Schwabengaul.
Auf einer Römerheerstraß,
Die fest und bucklig war,
Begegnet von der Quergaß
Ihm ein verlaufnes Paar.
Es waren alte Römer,
Ein Jüngling und ein Mann,
Denn ihnen war's bequemer,
Zu lotteln hinten dran.
Vermuthlich Marodierer
Von Cäsars wildem Heer,
Spaniolen oder Syrer,
Man weiß es halt nicht mehr.
Da wollte vor dem König
Das Paar den Hut nicht ziehn,
Das ärgert ihn nicht wenig,
Macht ganz berserkert ihn.
Er ruft mit Hünenstimme
Das Kinzigthal entlang,
Indeß er hoch im Grimme
Die Kugelkeule schwang.
[52]
Ich sag' Euch, machet linksum!
Die Keul' ist spiegelglatt
Und rund, und dennoch ringsum
Scharf, wie man Messer hat:
Wie Messer zum Rasiren!
Merkwürdig! Wo man sucht
Die Fläche zu berühren,
Da schneidet sie verflucht!
Ich warne euch im Guten,
Man siehts dem Ding nicht an,
Und wollt Ihr euch nicht sputen,
So seid ihr übel dran!
Doch hatten für die Mahnung
Die Kerle kein Gehör,
Und aus des Mauls Verzahnung
Verspotten sie ihn sehr.
Da holt er aus zum Hiebe
Und schlägt den Ersten, fein
Wie eine alte Rübe,
In Erzgrundboden 'nein.
Der Zweite gleich vor Schrecken
Stirbt auf dem Platz und spricht:
Vom Roß und von dem Recken
Seh' ich die Bohne nicht!
Ja, wie die Barden melden,
So fuhr die Keule noch
Mitsammt der Faust des Helden
Hinunter in das Loch.
[53]
Es war die Wucht zu grimmig,
Aus Unvorsichtigkeit!
Hört, höret, was einstimmig,
Berichteten die Leut!
Es riß der Hieb hinabe
Den Reiter und sein Roß,
Und lagen sie im Grabe,
Das wieder schnell sich schloß.
Der Held nicht konnt' es wehren,
Zu groß war seine Kraft,
Mit Besen konnte kehren
Man auf der Schneelandschaft.
Jedoch die scharfe Keule
Lag jetzt im Boden und
Schnitt in der langen Weile
Bis heute durch den Grund.
Man fand die mehrgenannte
Am Strand Amerika's -
Ein Deutscher sie erkannte,
Der jüngst im Cäsar las.
So wollte ich euch singen,
Und wollte sagen euch
Vom ersten, nicht geringen
Genie- und Schwabenstreich.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Gedichte. Gedichte aus Lyrischer Kehraus: Fliegendes. Die Keule des Ariovist. Die Keule des Ariovist. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9DCD-7