[121] An Julius Cäsar
Ich habe oft in Beck's Naturgeschichte
Gelesen von des Löwenthieres Art,
Ich habe oft in Pfeffel's Sinngedichte
Bewundert seine Geistesgegenwart,
Nicht minder seine Großmuth, seine Mähnen,
Selbst seines Brüllens wirkungsreiches Dröhnen.
In solchem Bilde tritt mir vor die Seele
Dein Geist, o Cäsar, Mann der schnellen That,
Ein Löwe bist du, welcher an der Kehle
Das schlimme Messer der Beschränktheit hat,
Denn Brutus sowie Cassius, engverschworen,
So hoch ich sonst sie schätze, waren Thoren.
Ich frage Jeden, der sich nur ein wenig
Im Leben umgeschaut, der je gewirkt
Für die Verfassung, ohne seinem König
Zu nah' zu treten, der nicht ganz vertürkt,
Ich frage ihn, ob nicht die Leidenschaften
Des Pöbels ihm sein Ideal entrafften?
So war's zu deiner Zeit in Rom, o Cäsar,
Die Anarchie war schon zu weit gedieh'n;
Ist's da nicht besser, wenn ein Reichsverwesar,
Den Karren weiß dem Unflath zu entzieh'n?
Besonders wenn mit Löwengeist und Stärke
Er Vorschub leistet dem erhab'nen Werke!
Pompejus, Cato, Cicero und Solche,
Der freien Staatsverfassung zugethan,
Die Catilina einst und seine Strolche
Schon angenagt mit gift'gem Wühlerzahn,
Die Hochgestirne waren jetzt erloschen,
War da nicht Alles leeres Stroh gedroschen?
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Wie muß der Denker sich noch heute grämen,
Wenn er für Menschenwohl empfindlich ist,
Daß du, o Cäsar, göttlich von Benehmen,
Dem Vorurtheile unterlegen bist;
Schon krächzen rings des Knechtsinns feile Möwen,
Und die dir folgten, waren keine Löwen!
Entschuldiget, des Cäsars große Manen,
Daß ich so frei war, Euch dies Lied zu weih'n.
Ein schlichter Bürger, dessen schlichte Ahnen
In Weltgeschichte nie sich mischten ein –
Doch konnt' ich nicht umhin, euch anzusingen,
In einer Zeit voll Schwäch- und Finsterlingen!