Die große Fechterei

Nun will ich auch vom Fechten singen,
Wie's deutsche Schüler jetzt vollbringen,
Als Vorbereitung zum Soldat,
Denn gräßlich viele braucht der Staat.
Der Kleine treibt die Anfangsgründe,
Der Große ficht auch mit der Flinte,
Der Kleine guckt's dem Großen ab,
Denn voller Ehrgeiz ist der Knab.
Man hat geviertheilt in vier Theile
Den Kreis aus purer Langeweile;
Das Fechten dann daraus entstand,
Daß man den Säbel nahm zur Hand.
Worauf sich nach den Winkelschachten,
Die Menschen vier Haupthieb' erdachten:
Die Prim, Secund, die Quart, die Terz
Gerad wie Nord-, Süd-, Ost-, Westwärts.
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Und später machte man jeweilig
Die Winkelhieb unterabtheilig;
Man legt sich aus verhängt und steil,
Sowohl zu Fuß, als auch zu Gäul.
Vergnügen viel macht das Rappiren,
Den Gegner sucht man auszuschmieren.
Au! sitzt der Hieb, doch blutets nicht,
Hat man die Haube vor'm Gesicht.
Es kracht die Prim Euch auf den Schädel,
In Fetzen fahrt der ganze Trödel.
Von links nach rechts und unten hin
Fliegt die Secund' und schlitzt das Kinn.
Die Quart durchpfeift den rechten Backen
Und zwirbelt noch bis in den Nacken,
Verzweifelt saußet auch die Terz,
Bereitend fürchterlichen Schmerz.
Die Oberquart mit scharfer Schneide
Geberdet sich voll Schadenfreude,
Die Unterquart, ein Meisterstreich,
Fährt lustig in die dicken Bäuch!
Die Unterterz heißt Halbsecund,
Sie zwickt den Hals und linken Mund
Wir schreien "Himmelsacrament"!
Weil sie uns raubt das Sprachtalent.
Ein Flachhieb der ist auch nicht übel,
Die Nas schwillt auf wie eine Zwiebel,
Der so Gepfetzte kommt in Wuth
Und schlägt sich noch einmal so gut.
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Wer sich nicht hütet vor der Finte
Der kömmt vom Regen in die Tinte,
Sie zickzackt um sich wie der Blitz
Und ist ein alter Fechterwitz.
Doch auch den Sauhieb muß ich nennen,
Der auf den Unterleib thut brennen,
Es ist derselbe nicht erlaubt
Und unanständig überhaupt.
Wenn man nur hinsteht, heißt's Parade,
Pariren ist, daß uns nichts schade,
Man haut nur aus dem Handgelenk -
Der kann nichts, der die Achsel schwenkt.
Im Spasse fechten darf ein Jeder,
Doch zieht im Ernste man vom Leder,
So heißt man dieses ein Duell
Und ist verboten vom Pedell.
Vom Fechten mit dem Bajonette,
Mit krummem Säbel und Florette,
Will ich noch geben kurz Bescheid,
Weil ich gerad' noch habe Zeit.
Mit dem Florette thut man stoßen,
Am besten können's die Franzosen,
Der schwere Säbel ist mehr deutsch,
Da hackt man Einem ab das Fleisch.
Mit Bajonetten thut man streiten,
Mit denen, die auf Pferden reiten,
Man faßt den Feind zur linken Seit'
Und hupft herum wie nicht gescheidt.
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Die Bauern, statt mit edeln Sabeln
Fechten mit Sensen und Mistgabeln,
Der Handwerksbursch ficht mit dem Hut,
Die Hauptsach aber ist der Muth.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Die große Fechterei. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9EB6-2